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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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erklärte George. »Für Sie. Wenn Sie für uns als wissenschaftliche Beraterin arbeiten.«
    Das war mehr, als ich an der Uni verdiente; es klang durchaus verlockend. Ich wußte zwar nichts über den Film, aber die Vorstellung, von Güsters aufgezwungenem Freisemester tatsächlich zu profitieren, gefiel mir. Es würde mir ungeheure Befriedigung bereiten, Custer zu betrügen, ohne daß ich dadurch meine Zukunft an der Universität aufs Spiel setzte.
    Als ich nicht antwortete, beeilte sich George, das Schweigen zu brechen. »Der Film handelt von einem Anthropologen, und der Star, Alex Rivers, wünscht, daß wir ihm einen echten Wissenschaftler besorgen, damit er aus erster Hand alles über Ausgrabungen erfahren kann.«
    »Wünscht?« mischte sich Edward schmunzelnd ein. »Befiehlt.«
    Ich zog eine Braue hoch. »Und Sie haben noch keinen wissenschaftlichen Berater? Daran hätten Sie doch denken können, bevor Sie hergekommen sind.«
    George räusperte sich. »Sie haben recht, und wir hatten auch einen, aber der mußte vor einer Woche abreisen.«
    »Mitten in der Nacht«, brummte Edward leise. »Und wahrscheinlich nicht ganz freiwillig.«
    George warf ihm einen finsteren Blick zu. »Alex ist gar nicht so schlimm«, sagte er wieder zu mir. »Wir haben gleich in die USA telegraphiert, aber so schnell läßt sich niemand auftreiben, und Sie – also Sie -«
    »Ich bin Ihnen ins Bild gerutscht«, meinte ich leichthin.
    »Dreihundertfünfzig«, schlug George vor. »Und ein Zimmer in der Lodge im Ort.«
    Es war nicht richtig; Archibald Custer würde es bestimmt nicht billigen. Es hieß, daß ich meine Freizeit damit verbringen würde, für einen verwöhnten Filmstar den Babysitter zu spielen, statt auf dem Gelände eigene Forschungen zu betreiben. Ich machte den Mund auf, um ihr Angebot hoheitsvoll auszuschlagen, als ich an Connor denken mußte. Fragst du dich nie, was du alles verpaßt?
    »Also gut«, antwortete ich mit einem strahlenden Lächeln, »wann soll’s losgehen?«
    George ließ mir einen provisorischen Vertrag da, den er hinten in die Umschlagseite meines Liebesromans schrieb, und kurz darauf hatte ich auch schon mein Sonnensegel abgebaut und war in den Ort gefahren, um Ophelia anzurufen. Ich bei den Dreharbeiten mit Alex Rivers. Persönlich erwartete ich mir nicht viel von so einem Star - ich lebte lange genug in L. A., um mitbekommen zu haben, wie oberflächlich und egozentrisch ihre Welt war –, aber ich wußte, daß Ophelia mich für einen absoluten Glückspilz halten würde. Sie verschlang die einschlägigen Magazine, wußte immer, welcher Produzent sich mit welchem Regisseur und welchem Star zusammengetan hatte; sie glotzte wie ein Groupie, wenn wir in L. A. auf der Straße an irgendwelchen Dreharbeiten vorbeikamen. Ich konnte mir genau vorstellen, wie sie reagieren würde - sie würde sterben, oder wenigstens behaupten, daß sie gleich sterben würde, denn das war ihre Antwort auf fast alles, egal, ob sie eine Rolle in einem Werbespot bekommen hatte oder ob ihr beim Salatmachen das Öl ausging.
    Ich lebte mit Ophelia zusammen, seit uns ein Computer als Erstsemester an der Uni zusammengewürfelt hatte. Damals trug sie noch den unvorteilhaften Namen Olivera Frug und war eine Blondine mit Apfelbrüstchen. Für Ophelia war ich so was wie der Verbindungsdraht zur wirklichen Welt, und im Gegenzug, tja, im Gegenzug brachte sie mich zum Lachen, schätze ich.
    Außerdem wußte ich mehr über Ophelia als irgendwer sonst. Als ich meine ersten Weihnachtsferien an der Uni verbrachte, weil mich in Maine nichts erwartete, blieb Ophelia zu meiner großen Überraschung ebenfalls in L. A. Fröhlich wie immer erklärte sie jedem, sie wolle endlich mal richtig braun werden. Aber an Heiligabend betranken wir uns gemeinsam mit einer Flasche Glenfiddich, und als Ophelia meinte, ich sei eingeschlafen, begann sie zu reden. Sie erzählte von ihrem Stiefvater, der sie befummelt hatte, seit sie zwölf Jahre alt war. Sie erzählte, wie sein Aftershave roch. Sie erzählte, wie sie sich damals Schlaflosigkeit antrainiert hatte, um jeden Laut an ihrer Zimmertür zu hören. Als die Sonne aufging, wickelten wir keine Geschenke aus, sondern schlossen schüchtern die gegenseitig anvertrauten Schätze in unser Herz.
    Wir waren ein ungleiches und unzertrennliches Paar. Als Ophelia sich zu einem neuen Menschen zu stylen begann, hielt ich zu ihr. Schließlich wußte ich genau, was sie so mühsam abzulegen versuchte. Zum Examen schenkte sie sich

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