Auf den zweiten Blick

mußte sich auf eine Stufe mit ihnen stellen, wenn sie glauben sollten, daß man wirklich dorthin gehörte.
    Ich schluckte und trat einen Schritt vor. Ich würde mich ihm und Roth vorstellen, die Kalahari-Jacke und den lächerlichen Porzellankrug erwähnen, und dann würde ich Rivers erklären, was ich von ihm hielt.
    Aber sowie ich in Alex Rivers’ Blickfeld geriet, erstarrte ich. Er hypnotisierte mich - ich hätte nicht mehr sagen können, ob ich in der Serengeti, in Belgien oder auf einer Umlaufbahn um den Mars war. Es hatte nichts mit seinem Gesicht zu tun, obwohl das zweifellos atemberaubend war. Es hatte etwas mit seiner Macht zu tun. Etwas in seinem Blick machte es mir unmöglich, mich abzuwenden.
    Seine Augen glühten; sie fingen das Licht wie stille Teiche. Dann schaute er weg, als würde er nach etwas suchen. Als er mich wieder ansah, lächelte er. Atemberaubend. Das Wort setzte sich in meinem Kopf fest, und ich wunderte mich, wie ich einerseits stundenlang unter der heißen afrikanischen Sonne arbeiten und mich andererseits von einem einzigen Mann so blenden lassen konnte.
    »Schätzchen«, sagte Alex Rivers, »holen Sie mir bitte was zu trinken?«
    Ich blinzelte, aber er ging schon weiter, dicht gefolgt vom Regisseur. Für wen zum Teufel hielt er sich eigentlich? Für wen zum Teufel hielt er mich?
    Für seine Assistentin. Nein, wahrscheinlich hatte er nach seiner Assistentin gesucht, sie nicht gefunden und beschlossen, daß ich einzig und allein auf dieser Erde war, um seine Wünsche zu erfüllen. Wie jeder andere auch. Ich schaute zu, wie er sich auf seinen Regiestuhl setzte und das weiche Leinen der Rückenlehne und des Sitzes sich an seinen Körper schmiegte, dessen Form es sich längst angepaßt hatte.
    Es gab nichts, was mir an ihm gefiel. Ich malte mir aus, was ich Ophelia erzählen würde. Stell dir vor, würde ich anfangen. Alex Rivers ist ein anmaßender Großkotz, der jeden rumschikaniert. Er ist so in sich verliebt, daß er nicht mal über seine Fußspitze schauen kann. Und noch während ich das dachte, war ich unterwegs zu dem Zelt mit dem portablen Picknick.
    Ich haßte ihn dafür, daß er mich hatte vergessen lassen, was ich sagen wollte; ich haßte ihn dafür, daß er mich hatte hierherlocken können; und vor allem haßte ich ihn dafür, daß er mein Herz so komisch schlagen ließ, dröhnend wie das Getrommel der Einheimischen, das der Wind manchmal herantrug, wenn ich auf dem Gelände arbeitete. Ich nahm einen roten Plastikbecher von einem Stapel auf dem Tisch und füllte ihn bis obenhin mit Eis; es würde sowieso gleich wieder schmelzen. Dann schüttete ich Saft darauf - Papaya vermutlich - und rührte mit einem Plastikmesser um, bis der Becher zu schwitzen begann und der Saft eiskalt war.
    Alex Rivers saß immer noch auf seinem Königsthron und hielt sein Gesicht einer Frau hin, die es mit hellem Puder bestäubte. Als er mich bemerkte, streckte er die Hand nach seinem Saft aus und belohnte mich mit einem zweiten Lächeln. »Aha«, sagte er. »Ich dachte schon, ich würde Sie nie wiedersehen.«
    Ich lächelte ihn an und ließ den Saft und das Eis, sogar den Becher in seinen Schoß fallen. Einen Moment beobachtete ich, wie sich der Fleck auf seiner Hose ausbreitete. »Da haben Sie sich zu früh gefreut«, antwortete ich, dann drehte ich mich um und ging davon.

11
     
    Ich hatte erwartet, daß Alex Rivers fluchen, meinen Namen verlangen, mich rauswerfen lassen würde. Jedenfalls ging ich immer weiter, mit der festen Absicht, den Set, am liebsten sogar Tansania zu verlassen. Aber Alex Rivers tat das einzige, was mich aufhalten konnte: er lachte. Es war ein tiefes, volles Lachen, wie ein warmer Regen. Er fing meinen Blick auf, sowie ich mich umdrehte. »Sie waren wohl der Meinung«, sagte er lächelnd, »ich könne eine kleine Abkühlung vertragen?«
    Seinem Zorn hätte ich wahrscheinlich widerstehen können, aber sein Verständnis war mein Untergang. Meine Knie begannen zu zittern, und ich mußte mich an irgendeinem Scheinwerfer festhalten, um nicht einzuknicken. Erst jetzt begriff ich wirklich, was ich da getan hatte. Ich hatte keinen Assistenten oder Kostümbildner mit eiskaltem Saft bekleckert. Ich hatte ganz absichtlich den Mann beleidigt, mit dem ich arbeiten sollte. Der Mann, der mir dreihundertfünfzig Dollar am Tag bezahlte, damit ich ihm behilflich war.
    Er stand auf, kam auf mich zu und hielt mir die Hand hin, als wisse er ganz genau, daß ich kurz vor dem Umkippen war. »Alex