Auf den zweiten Blick
folgte ihr zu ein paar Leuten, denen ich allen vorgestellt wurde und deren Namen ich prompt wieder vergaß. Die meisten saßen inzwischen auf dem Boden. LeAnne begann sich mit einer anderen Frau über den Zustand der Toiletten auf dem Set zu unterhalten, und ich lehnte mich an einen hohen Regiestuhl.
Er sah genauso aus wie der, auf dem das Scriptgirl gesessen hatte, nur stand bei dem hier ALEX RIVERS auf der Rückenlehne. Jedenfalls war er frei, und Alex Rivers war offenbar nicht da, also kletterte ich hinein.
LeAnne schnappte nach Luft und packte mich am Handgelenk. »Runter da«, zischte sie mir zu.
Verblüfft sprang ich auf den Boden und wirbelte dabei eine Staubwolke auf, die alle am Boden zum Husten brachte. »Es ist doch bloß ein Stuhl«, verteidigte ich mich. »Und es saß niemand drauf.«
»Das ist der Stuhl von Mr. Rivers.« Ich starrte sie an und wartete auf eine Erklärung. »Niemand setzt sich auf den Stuhl von Mr. Rivers.«
Mein Gott. Das konnte ja heiter werden. Ich versuchte mir einzureden, daß dreihundertfünfzig Dollar am Tag mich reichlich dafür entschädigten, einem Mann die Grundzüge des Knochensammelns erklären zu müssen, der glaubte, daß Porzellankrüge in ein Ausgrabungslager gehörten, und der so aufgeblasen war, daß ausschließlich sein kostbares Hinterteil seinen Regiestuhl berühren durfte.
Ich wußte, daß irgendwas geschehen würde, weil ein Zittern durch die Luft ging, das sich fast so schnell wie das Geflüster ausbreitete. Die Techniker standen auf, klopften sich die Hosen ab und kehrten auf ihre Positionen zurück. Drei Männer kletterten auf den Kamerakran; der Tontechniker preßte sich den Kopfhörer auf ein Ohr und spulte sein Band ein Stück zurück.
Der Mann, der dem Seil nachgerannt war, rief nach einer Frau namens Suki. »Weibliches Double«, brüllte er. »Suki, wir brauchen dich für die Beleuchtungsprobe.« Eine Frau, die nicht Janet die Schauspielerin war, ging auf die Zelte zu, und augenblicklich wurde eine Batterie von Scheinwerfern um sie herum aufgebaut und zurechtgerückt.
Ich starrte genau in einen grellweißen Strahl, und deshalb sah ich ihn nicht, bis er mich fast überrannte. Alex Rivers warf seine Jacke über den Stuhl, auf den zu setzen ich mich erfrecht hatte, ohne mehr Notiz von mir zu nehmen als von der Luft, die ihn umgab. Er unterhielt sich leise mit jemandem - Bernie Roth, wie ich annahm, weil er fast so wichtig aussah wie Alex Rivers und auch von niemandem Notiz nahm.
Alex Rivers sagte irgendwas wegen des schwarzen Seils, das ich vorhin gesehen hatte. Er streifte meinen Arm, als er an mir vorbeikam, und ich machte einen Satz.
Nicht daß er mit mir zusammengestoßen wäre; es war die Hitze seiner Haut. Ich rieb mir die Schulter, überzeugt, daß sich eine Blase oder ein roter Fleck bilden würde, irgendein Beweis für das, was ich eben gespürt hatte. Ich schaute ihm nach, vollkommen verwirrt, weil mich mein Sinn für Perspektive im Stich gelassen hatte. Statt immer kleiner zu werden, schien Alex Rivers mein ganzes Blickfeld auszufüllen.
Ohne zu merken, was ich da tat, folgte ich ihm hinter die Zelte, mit ein paar Metern Abstand, aber dicht genug, um alles mitzubekommen. Er und Bernie Roth und ein großer, muskulöser Mann hielten das schwarze Seil in den Fingern, das vorhin gebracht worden war. Ein vierter bog sich unter der Wucht von Alex Rivers’ Zorn nach hinten. »Passen Sie auf«, schnitt Alex Rivers dem Mann das Wort ab. »Passen Sie gut auf. Sven kann mit diesem Seil springen, aber dieses Seil ist nicht weiß, so wie ich es angeordnet habe. Sie haben die Wahl. Sie können in den Ort fahren und ein weißes Seil finden, mit dem er springen kann, oder Sie verwenden dieses schwarze Seil und nehmen in Kauf, daß ich die nächsten elf Wochen stinksauer auf Sie bin.«
Der Muskulöse und der verängstigte Ausstatter gingen nach links ab und gaben mir den Blick auf Alex Rivers frei. Ich starrte auf sein Profil, auf seine Kiefermuskeln, die Haarsträhnchen, die vom Wind hochgeweht wurden.
Was für ein selbstherrliches Arschloch! Ich hatte keine Ahnung vom Filmemachen, aber Korinthenkacker gab es an der Uni mehr als genug, und Alex Rivers war keinen Deut besser als Archibald Custer. Er nutzte seine Position aus und die Faszination, die er unweigerlich auf alle Leute ausübte. Nun, wenn ich etwas an der anthropologischen Fakultät gelernt hatte, dann, daß man sich von den Leuten an den Schalthebeln nicht überrennen lassen durfte. Man
Weitere Kostenlose Bücher