Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
aufwachte, bedeckte ein feiner Schweißfilm meinen Körper. Ich setzte mich auf und griff nach dem Papiertuch, das ich vorhin benutzt hatte. Ich machte es noch mal naß und preßte es mir in den Nacken.
    Die Zeltklappe, die als Tür diente, flog auf, und ein junger Mann mit kupferrotem Haar und Pferdeschwanz trat ein. Er hieß Charlie, ich hatte mich vorhin mit ihm unterhalten. »Miss Barrett«, sagte er, »ich habe überall nach Ihnen gesucht.«
    Ich schenkte ihm mein freundlichstes Lächeln. »Und ich dachte schon, hier interessiert sich niemand für mich.«
    Blut schoß ihm in das blasse Gesicht, und er senkte den Blick. Er war »Gaffer« – was irgendwas mit der Beleuchtung zu tun hatte. Das hatte er mir vorhin verraten, und ich hatte das Wort ein paarmal vor mich hingeflüstert, einfach weil es mir so gut gefiel. »Ich habe eine Nachricht für Sie«, sagte er, aber er wich meinem Blick dabei aus.
    Um ihn aus seinem Elend zu erlösen, nahm ich den Zettel, den er mir hinstreckte. Es war schlichtes braunes Packpapier, wie man es für den Transport verwendete. Bitte essen Sie mit mir zu Abend. Alex.
    Seine Handschrift war sehr korrekt, als habe er stundenlang daran gefeilt. Ob er auch so deutlich schrieb, wenn er Autogramme gab? Ich zerknüllte das Papier in der Hand und sah Charlie an, der offenbar auf meine Antwort wartete. »Und wenn ich nicht will?« fragte ich.
    Charlie zog die Schultern hoch und wollte schon gehen. »Dann wird Alex Sie finden«, sagte er, »und Sie umstimmen.«
    Er konnte Wunder wahr machen. Ich stand im Eingang dessen, was noch vor Stunden eine Filmdekoration gewesen war - das Innere des Zeltes, in dem der Professor wohnte -, und ließ den Blick über das weißleinene Tischtuch, die hohen, dunkelroten Kerzen in den elfenbeinernen Ständern, den Sekt in dem silbernen Sektkübel wandern. Alex stand am anderen Ende des Zeltes, in einem Smoking, schwarzen Hosen, weißer Fliege.
    Ich blinzelte. Wir waren hier in Afrika, Herrgott. Wir wohnten nicht mal in einem Hotel, bloß in einer einfachen Lodge, die dreißig Kilometer entfernt war. Wie hatte er das geschafft?
    »Sie können gehen, John.« Alex lächelte den Mann an, der mich im Jeep zum Set zurückgefahren hatte. Er war freundlich und riesig wie ein Mammutbaum.
    »Er ist sehr nett«, bemerkte ich höflich, während John im roten Schein der Fackeln vor dem Zelt verschwand. »Er hat mir erzählt, daß er für Sie arbeitet.«
    Alex nickte, kam aber keinen Schritt näher. »Er würde sein Leben für mich geben«, erklärte er ganz ernst, und unwillkürlich fragte ich mich, wie viele Menschen das wohl noch tun würden.
    Ich trug das schwarze ärmellose Kleid, das dank Ophelia an diesem Nachmittag angekommen war, und flache schwarze Slipper, in denen mindestens ein Pfund Sand schwappte. Die vergangenen drei Stunden hatte ich damit verbracht, zu duschen und mir das Haar zu frisieren und mich mit einer Limonenlotion einzureiben, und die ganze Zeit verschiedene Ansätze ausprobiert, wie ich Alex Rivers wegen seiner Vorstellung am Nachmittag zur Rede stellen würde.
    Aber ich hatte ihn nicht in Abendkleidung erwartet. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm reißen. »Sie sehen phantastisch aus«, sagte ich leise und war schon wütend auf mich, bevor ich zu Ende gesprochen hatte.
    Alex lachte. »Das ist eigentlich mein Text«, sagte er. »Aber vielen Dank. Und nachdem Sie den Effekt bewundert haben, lassen Sie mich das ausziehen, bevor ich eingehe.« Ohne meine Antwort abzuwarten, schlüpfte er aus dem Jackett, nahm die Fliege ab und krempelte sich die Ärmel bis über die Ellbogen hoch.
    Er rückte einen Stuhl für mich zurecht und hob die Silberhaube von einer Salatplatte. »Und«, fragte er, »wie fanden Sie Ihren ersten Tag beim Film?«
    Ich erkannte meine Chance und kniff die Augen zusammen. »Ich finde, daß hier unglaublich viel Zeit verschwendet wird«, antwortete ich schlicht. »Und ich finde es schamlos, wie Sie die Gefühle anderer Menschen für Ihre Schauspielerei stehlen.«
    Alex blieb der Mund offenstehen, aber sofort hatte er sich wieder gefangen. Er hielt den Porzellanteller hoch. »Karotte?« fragte er ruhig.
    Ich starrte ihn an. »Haben Sie gar nichts dazu zu sagen?«
    »Doch«, antwortete er nachdenklich. »Warum geraten wir eigentlich ständig aneinander? Hassen Sie nur mich oder alle Schauspieler?«
    »Ich hasse niemanden.« Mein Blick fiel auf die gestärkten Servietten und blinkenden Kristallgläser, und mir ging durch den Kopf,

Weitere Kostenlose Bücher