Auf den zweiten Blick
die schönste Frau, die mir je begegnet ist.« Er lächelte. »Ich erinnere mich noch, wie ich sie manchmal heimlich im Garten beobachtete, wenn sie sich allein glaubte. Dann setzte sie ihren Strohhut ab, hielt das Gesicht in die Sonne und lachte, als sei sie die glücklichste Frau auf Erden.«
Ich schaute auf meinen Teller und mußte an meine Mutter denken, die alles dafür gegeben hätte, in den Süden zurückzukehren. Ich mußte daran denken, wie ich sie heimlich beobachtet hatte, wenn sie über ihrem Bourbonglas hing und sich selbst zuprostete. Ich machte die Augen zu und versuchte mir vorzustellen, wie es gewesen sein mußte, in Alex Rivers’ Familie aufzuwachsen.
»Mein Daddy hatte nicht viel für die Schauspielerei übrig«, erzählte Alex. »Aber dann sah er mich im College spielen - an der Tulane-Universität - und wurde mein größter Fan. Bis zu seinem Tod vor ein paar Jahren hat er sich die Werbeposter von allen meinen Filmen rahmen lassen und in seiner Praxis aufgehängt.«
»Und Ihre Mutter wohnt noch in New Orleans?«
»Ich habe versucht, sie nach L. A. zu holen, aber das wollte sie nicht. Sie meint, einen alten Baum soll man nicht verpflanzen.«
Ich versuchte, das Bild heraufzubeschwören, das meine Mutter vom Süden gezeichnet hatte - das eines Landes voller Eleganz, wo es blaublättrige Weiden und eisgekühlte Drinks mit Minze gab. Es schien sich von L. A. genausosehr zu unterscheiden wie ich von Alex Rivers. »Bestimmt vermissen Sie New Orleans«, sagte ich. »Hollywood ist doch sicher eine ganz andere Welt.«
Alex zuckte mit den Achseln. »Ich bin in einer dieser alten französischen Villen aufgewachsen. Mit schwarzen Fensterläden und Kletterrosen und Eisenbänkchen im Garten. Als ich nach L. A. kam und es endgültig geschafft hatte, habe ich mir in Bel-Air genau so ein Haus bauen lassen.« Er schmunzelte. »Wenn Sie jemals eine dieser Rundfahrten zu den Villen der Stars mitgemacht haben, haben Sie wahrscheinlich sogar den Briefkasten gesehen.«
Ich erwiderte sein Lächeln. »Und woran haben Sie gemerkt, daß Sie es endgültig geschafft haben?«
Alex lachte. »Das war eines Tages im Supermarkt. Kurz nachdem Licht und Schatten rauskam – dieser Vietnamfilm. Jedenfalls war ich in der Gemüseabteilung und klopfte die Melonen ab, um zu testen, ob sie reif waren, wie meine Mutter es mir gezeigt hat, als ich im College war. Schließlich hatte ich mir zwei ausgesucht und ging weiter zu den Schalotten, und als ich mich umdrehte, drängelten sich die Leute um die Melonen. Diese Frauen grapschten nach den Melonen, die ich abgeklopft und nicht genommen hatte - die grünen, verdammt noch mal –, und waren ganz aus dem Häuschen, weil sie eine erwischt hatten, die Alex Rivers berührt hatte.« Er grinste. »Das ist das Schlimmste daran. Ich kann nirgendwo hin. Ich kann nichts unternehmen. Ich habe absolut kein Privatleben. An jenem Tag, das war 1987, bin ich zum letzten Mal einkaufen gegangen.«
»Und wie bekommen Sie was zu essen?« fragte ich entsetzt.
»Ich habe Angestellte. Ich habe jemanden, der für mich einkauft, jemanden, der für mich Kleider kauft, jemanden, der für mich telefoniert, und jemanden, der mich herumfährt. Mein Gott, wahrscheinlich könnte ich sogar jemanden einstellen, der für mich aufs Klo geht.«
»Aha«, sagte ich lächelnd. »Die Vorzüge einer Machtposition.« Ich stand auf und räumte die beiden Teller weg - delikate Gans in Pflaumensauce mit kandierter Reisfüllung. »Und was tun Sie den ganzen Tag?«
Alex lachte. »Wenn ich es mir recht überlege - wenig.«
Er schenkte Sekt nach, während ich den Nachtisch auftrug. »Blaubeeren«, erklärte ich. »Meine Lieblingsbeeren.«
Das war keine höfliche Floskel. Man konnte unmöglich in Maine aufwachsen und keine Blaubeeren mögen: sie wuchsen wild im Wald zwischen unserem Haus und dem von Connor. Die hier waren längst nicht so gut - was ich Alex natürlich nicht verriet –, aber sie erinnerten mich an den Sommer und an ein Leben, das ich vor hundert Jahren geführt hatte. Ich hob die Gabel an den Mund und nahm noch einen Bissen. »Wir haben in Maine immer Blaubeeren gepflückt«, erzählte ich ihm. »Sie wachsen dort überall, und wir haben sie frisch vom Strauch gegessen.« Ich mußte lächeln. »Die warmen waren die besten, weil sie wie die Sonne schmeckten und wir hinterher lila Flecken an den Händen hatten.«
Alex beugte sich über den Tisch und nahm meine Hand. Er drehte sie in seiner und rieb mit seinen
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