Auf den zweiten Blick
gestikulieren. Aber sosehr ich mich auch bemühte, Connor wollte einfach nichts erkennen.
Sechs Tage lang hatte ich Alex beobachtet, wie er in seiner Rolle als Rob sein Skelett ans Tageslicht bringt und in eine Glaubenskrise gerät. Er begreift, daß die menschliche Evolution sich auf dem gleichen Kurs bewegt wie die der fremden Spezies, die er gefunden hat: mit kometenhafter Geschwindigkeit auf die Auslöschung zu. Er beschließt, sein Wissen wieder zu vergraben, statt die Geschichte umzuschreiben.
Ich war überrascht, daß die Szenen nicht der Reihe nach gedreht wurden, begriff aber durchaus, welch finanzielle Vorteile es brachte, alle Szenen hintereinander zu filmen, die am selben Ort spielten. »Wie schaffst du das?« hatte ich ihn gefragt. »Wie kannst du die Gefühle heraufbeschwören, die du in der letzten Szene brauchst, und gleich darauf so tun, als sei alles nie passiert?« Alex hatte nur gelächelt und mir erklärt, dafür würde er bezahlt.
Trotzdem, er engagierte sich auch gefühlsmäßig, selbst wenn er das abstritt - er konnte gar nicht anders. Nachts, wenn er einfach er selbst war, sickerte das durch. Eines Abends saßen wir am Rande der Olduvai-Schlucht, und Alex erzählte mir, wie sein Vater ihn damals, als er vierzehn war, durchs Wohnzimmer geschubst hatte. Immer wieder hatte er ihn geohrfeigt oder in die Seite geboxt, um Alex dazu zu bringen, sich zu wehren. Als Alex das schließlich tat und seinem Vater dabei gleich ein paar Zähne ausschlug, hatte Andrew Riveaux ihn blutüberströmt angegrinst. Junge, hatte er gesagt, so kämpft ein richtiger Mann.
Nach langem Schweigen schaute Alex mich an. »Manchmal glaube ich, wenn ich morgen eine Pressekonferenz geben und der Welt erzählen würde, daß Alex Rivers einen Säufer zum Vater und eine psychisch Kranke als Mutter hatte, dann würde das kein Mensch drucken. Sie haben alle ein festes Bild von mir im Kopf, das sie nicht aufgeben werden, und das Komische daran ist, ich glaube, der Mann, den sie sich ausgedacht haben, wird mich überleben.«
Ich hatte seine Hand genommen, weil ich nicht wußte, was ich sagen sollte, aber er hatte mich sanft weggeschoben. »Deshalb hat mir das Drehbuch für diesen Film so gefallen. Es ist ein moralisches Dilemma: Soll man den Menschen etwas verraten, was sie gar nicht wissen wollen? Oder läßt man sie weiter glauben, was sie glauben wollen?« Er schüttelte den Kopf. »Da fängt man schon an, sich Gedanken über Darwin zu machen«, sagte er.
Aber wieviel Zeit ich auch mit Alex verbringen mochte, in meinen Träumen ging es nur um Connor. Innerlich hatte ich beide miteinander verbunden. Ich schlief mit dem Gedanken an Alex ein und wachte mit Connors Namen auf den Lippen wieder auf, als sei Connor eifersüchtig und würde sich immer wieder in mein Unterbewußtsein drängen. Eines Nachts träumte ich so lebhaft, daß ich beim Aufwachen immer noch Connors Atem an meiner Wange spürte, und das beunruhigte mich. Meistens ließ Connor mich in Ruhe. Aber wenn er glaubte, daß ich in Schwierigkeiten steckte, war er schwerer abzuschütteln als mein eigener Schatten.
Wir tanzten um den flachen Teich hinter der Lodge herum, im Rhythmus der Geräusche der afrikanischen Nacht. »Ich kann nicht mehr«, lachte ich atemlos. »Du bist zu schnell.«
»Du bist zu langsam.« Alex wirbelte mich herum und ließ mich über den kühlen, dunklen Boden fliegen. Als er mich wieder absetzte, knickte mir der Fuß ein, und ich riß ihn mit mir um. Gemeinsam rollten wir einen sanften Abhang hinunter. Bei jeder Umdrehung stützte sein Leib meinen oder meiner trug seinen in einer sinnlichen, kraftvollen Pirouette. Unsere Fingerspitzen waren nur Zentimeter vom schlammigen Wasser entfernt, als wir zur Ruhe kamen, Alex unten, ich oben.
Zaghaft ließ ich meinen Kopf auf seine Brust sinken. Seit jenem ersten Gutenachtkuß hatten Alex und ich uns nicht mehr so intensiv berührt. Es war schwer abzuschätzen, was er von mir wollte. Alex war freundlich und offen, aber nicht auf körperliche Art. Ich wußte nicht, ob er es langsam angehen wollte; ob er überhaupt etwas angehen wollte. Was mich betraf - ich hoffte auf mehr. Um genau zu sein, ich hatte mich auf eine kurze Affäre eingestellt, und im Lauf der vergangenen Woche hatte ich mich beinahe davon überzeugt, daß das auch in Ordnung sei, aber Alex machte keine Anstalten, mich zu verführen. Meist berührte ich Alex unter irgendwelchen Vorwänden und versuchte schamlos, ihn aus seiner Deckung zu
Weitere Kostenlose Bücher