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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Familienwappen anfertigen, das unter anderem in eine Sandsteinplatte gemeißelt über dem Kamin aufgehängt werden sollte.
    Die verschiedenen Entwürfe dafür lagen quer über den Tisch verteilt. »Ich wünsche mir, dass jedes Familienmitglied mit einem Symbol vertreten ist«, sagte Hermann gerade. »Einem möglichst zeitlosen Symbol natürlich, also keinem Tennisschläger oder so. Felix könnte zum Beispiel einen Dolch nehmen, als Sinnbild für ein Skalpell.«
    »Ich bin Internist, kein Chirurg«, sagte Felix, und da seufzte sein Vater schwer. Felix’ Medizinstudium war für ihn eine riesengroße Enttäuschung gewesen, hatte er doch davon geträumt, dass seine Söhne einst Seite an Seite das Makler- und Immobilienimperium regieren würden, das er aufgebaut hatte. Leuenhagen und Söhne. Jetzt »musste« Florian das irgendwann allein übernehmen, und es war längst allen klar – am meisten seinem Vater –, dass die Talente seines jüngeren Sohnes mehr mit Geldausgeben als mit Geldverdienen zu tun hatten.
    »Was das Wappentier angeht: Der Löwe bietet sich natürlich an, er ist ja im Namen Leuenhagen schon enthalten. Trotzdem: Andere Vorschläge werden dankend entgegengenommen. Na?« Er sah aufmunternd in die Runde.
    »Ein Einhorn fänd ich ja romantisch«, sagte Luise.
    »Ach, Unsinn«, sagte Hermann barsch. »Fräulein Schwiegertochter? Vielleicht von deiner Seite ein sinnvoller Vorschlag? Auch wenn du ja den Namen Leuenhagen partout nicht annehmen wolltest.« Das nahm er mir immer noch übel. Mir und dem Gesetz, das es erlaubte, als Ehefrau den Mädchennamen behalten zu dürfen. »Welches Tier passt zu uns Leuenhagens?«
    Das hätte er besser nicht gefragt. Ich biss mir auf die Lippen. Blöder Affe. Sturer Bock. Eitler Gockel. Eingebildeter Pfau. Toller Hecht. Dummer Ochse. Elender Wurm. Dämlicher  … »Seepferdchen!«, stieß ich hastig hervor.
    Hermann verdrehte die Augen. »Ich sehe schon, Frauen darf man in solchen Sachen nicht nach ihrer Meinung fragen.«
    Ich verdrehte auch die Augen, aber verkniff mir eine Erwiderung. Aus einem Schlagabtausch mit der männlichen Hälfte von Felix’ Sippschaft würde ich in meinem derzeitigen Zustand nicht siegreich hervorgehen, das zumindest war mir klar. Stattdessen ließ ich weiter die Dauerbeschallung im Zweitonkanal über mich ergehen. Während Hermann und Florian vom Familienwappen zum Ferienhaus auf Fehmarn übergingen, in dem dringende Reparaturen anstanden (»Das musst du machen, wenn ihr über Ostern da seid, Felix, Florian hat für so etwas keine Zeit«), wechselte Susanne zu den Krankheitssymptomen ihrer Tennisfreundinnen und deren Verwandten, um dann von Felix zu verlangen, dezidierte Ferndiagnosen abzugeben.
    Das Schlimme war, dass ich trotz jahrelangen Trainings nicht fähig war, das Gehörte einfach auszublenden, ab und zu mal zu nicken und an etwas anderes zu denken, bis die Zeit um war und wir wieder nach Hause gehen konnten. Irgendwann hatte ich mir angewöhnt, die Zeit wenigstens für isometrische Übungen zu nutzen, indem ich meine Hinternmuskulatur bei allen ärgerlichen oder blödsinnigen Bemerkungen fest zusammenkniff. Durch dieses sonntägliche Training war mein gluteus maximus so hart, dass ich Nüsse damit knacken konnte.
    Heute war ich nicht mal dazu in der Lage.
    »Der Orthopäde sagt, der Knorpel sei abgenutzt, und da hilft nur noch eine Operation, wenn sie mit den Schmerzen nicht leben will, und ich habe gesagt, Mensch, Rosi, da frage ich doch vorher besser mal meinen Sohn«, sagte Susanne gerade und legte Felix die Hand auf den Arm. »Am besten rufst du sie gleich mal an, ich hab ja jetzt die medizinischen Fachbegriffe nicht alle parat, und sie kann das auch viel besser erklären. Hermann, Schatz, gibst du mal das Telefon rüber, Felix will bei Rosi anrufen und mit ihr über das Knie reden. Danke. Sie ist unter der Neun bei den Kurzwahlen gespeichert. Sag, hier ist Doktor Felix Leuenhagen, dann weiß sie gleich Bescheid.«
    Felix starrte das Telefon verdutzt an. »Aber ich bin kein Orthopäde, und ohne Untersuchung kann ich nicht …«
    »Aber du kannst die Lage doch viel besser einschätzen als wir Laien«, insistierte seine Mutter. »Jetzt zier dich nicht so, den Gefallen kannst du mir wirklich mal tun …«
    Warum es genau in diesem Augenblick in meinem Gehirn »Klick!« machte, weiß ich nicht. Ich merkte erst, dass ich angefangen hatte zu reden, als ich schon mitten im zweiten Satz war. »Es gibt verdammt noch mal Wichtigeres auf

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