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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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vorletztes Jahr geklaut worden war.
    Eva ließ sich auf meine Bettkante plumpsen und tätschelte meine Hand. »Keine Sorge, das mit Cousin Bertram war nur ein Scherz. Den verkuppeln wir mit Roberts Arbeitskollegen, und dich … Was machst du denn da?«
    Ich hatte die Bettdecke zurückgeschlagen und angefangen, meinen Schlafanzug hochzukrempeln – den aus geblümtem Flanell, von dem ich dachte, ich hätte ihn schon vor Jahren in den Altkleidersack geworfen, unfassbar, dass Felix ausgerechnet den ausgegraben und ins Krankenhaus gebracht hatte – und mich zu untersuchen. Ich konnte doch unmöglich ohne eine einzige Schramme davongekommen sein. Der Sturz war ganz schön tief gewesen und nicht gerade sanft. Und selbst wenn die U-Bahn mich nicht touchiert hatte (der arme Zugführer, bestimmt hatte er einen Schock erlitten!), musste ich doch wenigstens blaue Flecken davongetragen haben. Meine Arme waren vollkommen unversehrt. Erst als ich das Oberteil hochschlug, entdeckte ich eine Wundabdeckung auf dem Bauch.
    »Was habe ich denn da?«, fragte ich und drückte vorsichtig auf das Pflaster. Es tat ein bisschen weh. Na bitte. Innere Verletzungen, vielleicht ein Milzriss. Oder eine Leberquetschung.
    »Im Ernst, Kati, du machst mir ein bisschen Angst«, sagte Eva. »Wenn du nicht aufhörst, so komisch zu sein, ruf ich die Schwester und frage, was zur Hölle sie dir gegeben hat. Die kann ja hier nicht Schlaftabletten mit halluzinogenen Nebenwirkungen verteilen wie Bonbons. Deine OP ist schließlich erst drei Tage her.«
     
    Der Amerikaner, der Kolumbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung.
Georg Christoph Lichtenberg
     
    »Was genau musste denn operiert werden?« Ich starrte auf die Wundabdeckung. Sie sah klein und harmlos aus, ganz ähnlich wie die damals nach der Blinddarm-OP. Sie saß auch an der gleichen Stelle.
    Dann erst dämmerte mir, was Eva gerade gesagt hatte. Drei Tage? Die Operation war bereits drei Tage her?
    Plötzlich bekam ich einen trockenen Mund.
    »Na ja, was man halt so operiert, bei einer Blinddarmentzündung.« Eva verdrehte die Augen. »Die Nasenscheidewand.«
    Ich krallte meine Hand in ihren Arm. »Wie lange war ich ohne Bewusstsein? Welcher Tag ist heute? Wo ist Felix? Wieso hat sich Frau Baronski schon wieder das Bein gebrochen und warum liegen wir im selben Zimmer?« Unter meinen immer schneller hervorschießenden Fragen zuckte Eva regelrecht zusammen. »Was ist mit dem Obdachlosen passiert? Wer hat meine Fußnägel lila lackiert? Warum redest du so wirres Zeug und wo hast du meine alte Handtasche her? Und warum trägst du Ohrringe?« Ich rang nach Luft. »Du trägst keine Ohrringe mehr, seit Henri dir das Ohrläppchen aufge… Wo gehst du hin?«
    Eva war aufgesprungen. »Mir reicht’s! Das ist doch nicht normal! Frau Baronski, wie heißt die Schwester, die Kati diese Pillen gebracht hat?«
    »Das war Schwester Sabine. Sie erkennen Sie an ihrem ausladenden Hinterteil«, sagte Frau Baronski heiter. »Das ist so riesig, das können Sie gar nicht verfehlen … Nanu? Da ist sie ja schon, die Schwester Sabine. Wenn man vom Teufel spricht.«
    »Nanana, Höppelepöppel! Denken Sie immer daran, welcher Dodderaasch Ihnen hier morgens die Bettpfanne bringt.« Schwester Sabine lachte gutmütig. Sie hatte wirklich ein ausladendes Hinterteil. Eins, das man auch von vorne erkennen konnte. Es sah aus, als habe sie ein Klavier verschluckt. Deshalb konnte ich mich auch noch gut an sie erinnern. Deshalb und weil sie so lustige kölsche Ausdrücke verwendete wie »Höppelepöppel«, »Knotterbüggel« und »Knaatschsack«, die mir in Erinnerung geblieben waren, ohne dass sich mir ihr Sinn jemals erschlossen hätte. Schwester Sabine war damals auch schon auf dieser Station gewesen. Und hatte diesen nachsichtigen Blick draufgehabt, mit dem sie Eva nun versicherte, dass sie mir lediglich ein ganz harmloses Sedativum verabreicht habe, sehr niedrig dosiert.
     
    Einmal entsandt, fliegt das Wort unwiderruflich dahin.
Horaz
     
    »Sie ist aber wirklich ein bisschen verwirrt.« Eva bekam Verstärkung von Frau Baronski. »Sie weiß nicht, dass heute Sonntag ist. Heute ist doch Sonntag, oder?«
    »Ein bisschen verwirrt ist untertrieben! Sie ist ganz und gar verwirrt!«, rief Eva. »Vorhin hat sie nach unserem Kater Felix gefragt. Der ist seit fünfzehn Jahren tot. Ich möchte also genau wissen, was sie ihr verabreicht haben, und mit dem zuständigen Arzt sprechen.«
    »Zwanzig«, sagte ich.
    »Zwanzig was?«,

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