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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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packte noch sechs Mousse au Chocolat als Nachtisch in meinen Wagen.
    Marlene war ein bisschen verlegen gewesen, weil sich meine Einladung auch auf Javier erstreckt hatte. »Wir sind nicht richtig zusammen, weißt du?«, hatte sie gemurmelt, und: »Er ist auch viel zu jung für mich«, und ich hatte gesagt, dass ich mich trotzdem freuen würde, wenn er mitkäme. Und dass er gerne noch einen Freund mitbringen könne, für Linda. Wäre doch ziemlich cool, wenn Linda sich in den Schlagzeuger von Javiers Band verlieben und Uwe den Laufpass geben würde, bevor er ihr damit zuvorkam.
    Ich warf einen prüfenden Blick in meinen Einkaufswagen, ob ich auch nichts vergessen hatte, und machte mich dann eilig auf zur Kasse. Auf dem Heimweg würde ich noch schnell bei dem Weingeschäft an der Ecke haltmachen, Weißwein gehörte zum einen laut Rezept reichlich in die Soße und außerdem dazu, wenn man denn die Feste feiern wollte, wie sie fielen.
    Rummms!
    Wie aufs Stichwort war ich mit einem Einkaufswagen zusammengestoßen, der plötzlich vor mir um die Ecke gebogen kam. Da ich deutlich mehr Schwung hatte, schob ich den anderen Wagen direkt gegen einen Turm aus Cornflakesschachteln, der erst heftig schwankte und dann raschelnd in sich zusammenbrach. Wie in einer Filmszene, nur dass man da vermutlich statt der Pappschachteln Gläser mit Apfelmus genommen hätte. Das wäre auf jeden Fall auch tontechnisch noch dramatischer rübergekommen, von den Scherben und dem glitschigen Apfelmus auf dem Boden ganz zu schweigen. Die Cornflakesschachteln blieben immerhin heil.
    »Was zur Hölle …«, sagte der Fahrer des Einkaufswagens, und ich hatte schon den Mund aufgemacht, um mich zu entschuldigen – obwohl ich mir nicht sicher war, ob auch im Supermarkt die Rechts-vor-links-Regel galt – als ich erkannte, wen ich vor mir hatte.
    Felix.
    Mein Herz schlug plötzlich bis zum Hals. Verdammt! Dieser Supermarkt lag überhaupt nicht in seinem Revier. Das hinterlistige Schicksal musste ihn irgendwie hierhergelockt haben, damit er mir direkt vor den Einkaufswagen rennen konnte. Wenn er mich jetzt ansah, würde er sich wahrscheinlich in Sekundenbruchteilen in mich verlieben, wie es nun mal seine Art war – so hatte es das Schicksal, das tückische, vermutlich geplant. Und ausgerechnet heute, wo ich nicht mal einen Blümchenpyjama und fettige Haare vorzuweisen hatte, sondern großartig aussah. Raffiniert!
    Aber nicht mit mir!
    Während ich mich bückte und begann, die Cornflakesschachteln aufzuheben – Felix tat das Gleiche, und noch hatten sich unsere Blicke nicht gekreuzt –, überlegte ich fieberhaft, wie ich ihn maximal abschrecken konnte. Was konnte Felix nicht leiden, was fand er an Frauen abstoßend und abtörnend? Rasierte Augenbrauen, zum Beispiel, aber damit konnte ich auf die Schnelle nicht dienen. Süddeutsche Dialekte fand er ebenfalls unerotisch. Was noch? Los, streng dich an, Kati! Du kennst diesen Mann besser als dich selbst. Was kann er nicht leiden? Kratzige Wollpullover. Milchreis. Schlechte Tischmanieren. Das Wort »Schniedelwutz«. Xavier Naidoo und Rosenstolz. Leute mit Putzfimmel. Barbie-rosa Lipgloss. Schlechte Grammatik. Wenn man ihn »Schatzi« nannte. Zungenpiercings. Zitronat und Orangeat im Weihnachtsstollen …
    Oh Gott, jetzt drehte er sich vollends zu mir um und sah mich an. Und er lächelte. Unter seinem vertrauten Blick fielen mir plötzlich all die Dinge ein, die er liebte. Spaziergänge an der See bei stürmischem Wetter. Marzipan. Die Ritter der Kokosnuss. Meine kalten Füße an seinen Waden – angeblich … Die Musik von Circlesquare und Arcade Fire und anderen Gruppen, die niemand kannte außer ihm selber. Katzen und Hunde – er streichelte immer alle, die wir unterwegs trafen … – Halt! So ging das nicht. Verzweifelt versuchte ich auszusehen wie jemand, der schlechte Tischmanieren und einen Putzfimmel hat. Aber Felix lächelte immer noch. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er.
    Oh nein! Jetzt mussten härtere Geschütze aufgefahren werden.
    Ich pfefferte eine Cornflakesschachtel auf den Haufen zu den anderen. »I denk goar net dra, Ihne zu helfe, Sie! Des woar nämlisch goanz kloar Ihre Schuld, des.« Scheiße, was sollte das denn für ein Dialekt sein? »Wie an Verrückter gerast sind Sie, furschba!« Egal, es hörte sich jedenfalls scheußlich an. Felix guckte auch sehr irritiert. Wahrscheinlich überlegte er, aus welchem Land ich wohl eingewandert war.
    Glücklicherweise erschien nun

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