Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
Vom Netzwerk:
einen schönen Salat: Spargel, Tomaten, gekochte Eier, Kartoffeln, Erbsen, dazu diese weiße, fettige Mayonnaise. Marguerita schwätzt pausenlos und sehr schnell mit den Spaniern, ich verstehe wenig. Der eine der beiden, mit Bart und lustigen Augen, trägt ein T-Shirt mit Aufdruck: „Carribean Company“.
    Um elf Uhr kommen noch die beiden Dorfpolizisten an die Bar mit schweren Pistolen in den schwarzen Holstern. Der eine zündet sich eine dicke Zigarre an. Rauchen ist in dieser Bar ausdrücklich erlaubt: „Se permitte fumar“ verkündet ein silbernes Plastikschild an der Wand. Die beiden Holländer liegen schon längst im Bett.

Salamanca

    Dienstag, der 30. Mai,
    von San Pedro de Rozados nach Salamanca,
    24,3 Kilometer, gesamt 501 Kilometer
    23. Wandertag

    Als ich um sieben Uhr aufbreche, sind die anderen schon längst weg. Die Holländer standen bereits um halb sechs auf und gingen noch im Dunkeln weg, als ich gerade aufstand. Auch Marguerita saß bereits auf ihrem Bett und zog sich an. Abends früh zu Bett und morgens früh raus. So kann man es auch machen. Ich kann so früh einfach nicht aufstehen. Dafür sind die Abende viel zu lang und zu schön! Es weht ein eisiger Nordwind, der gnadenlos über die brettflache Meseta tobt. Ich ziehe wieder alles übereinander, was ich habe, als letztes die schwarze Regenjacke, deren Kapuze ich über dem Strohhut festknote. So kämpfe ich gegen den Sturm an. Den Hut muß ich mit der linken Hand fest am Kopf halten, sonst wird er mir davongeweht.
    Es ist schon seltsam. Bei uns bedeutet Sturm dunkle Wolken, die grau über den Himmel fegen, Regenschauer und frostige Haut. Hier strahlt eine messingfarbene Sonne von einem tiefblauen Himmel, der sich wolkenlos von einer Seite des Landes zur anderen spannt, das 360 Grad im Umkreis bretteben ist. Es ist wie ein Ozean aus gelbem Gras, das der Wind peitscht und in Wellen aufbraust. Der Wind erinnert mich an den Meltemi Griechenlands, der täglich ab elf Uhr vom wolkenlosen Himmel das Meer der Ägäis zu weißschäumenden Brechern peitscht.
    Die Piste ist ein weißer Strich, die das Land rechts und links in zwei gleiche Hälften teilt. Rechts ist Nichts und links ist Nichts, oder rechts ist wie links, und fünf Sunden später ist es immer noch Nichts. Tres meses de infierno! Und ich ganz klein im Zentrum der gewaltigen Weite, ein kleiner Zwerg mit roten Socken und schwarzer Kapuze. Früh am Morgen trete ich auf meinen meterlangen Schatten in der Längsachse der Straße, mittags ist der Schatten ein schwarzer Fleck unter mir und abends läuft er wieder lang hinter mir her. Unter mir im weißen Staub erkene ich die Spuren meiner Vorgänger. Zwei nebeneinander, das sind die Holländer, eine kleinere leicht versetzt, das ist Marguerita mit ihren kurzen Beinchen.
    Alle Bäume haben das Land verlassen. Es gibt keinen Halt, keinen Schatten mehr. Rast mache ich an einer Pistenkreuzung mit einem Kilometerstein für den Rücken, die Füße im Straßengraben, mein Hut ist der Schatten. Schläft der Wind für Minuten ein, sticht die Sonne mit Strahlenmessern. Nur einige Schluck lauwarmes Wasser, eine Orange, etwas Brot und Käse, noch nicht einmal müde darf ich werden. Der rechte Fuß schmerzt wieder höllisch. Ich bin jetzt neun Tage ohne Ruhetag unterwegs, erschöpft , kraftlos, müde. Dieses Land macht mich fertig. Santiago, diesmal quäle ich mich zu Dir. Was habe ich getan, daß ich so leiden muß? Daß Du mich so strafst! Du willst mich diesmal als Schmerzensmann sehen, der zu Dir hinkriecht auf Deinen Berg im fernen Norden. Oder bin ich Dir noch nicht zu demütig? Habe ich immer noch den alten Stolz des Siegers, des Kämpfers, der erreicht, was er will? Der auf die anderen Mühseligen herabblickt von seiner Warte des Auserwählten. Kastilien mein Golgatha! Du wirst mich noch klein kriegen. Ultreya! Runter von dem Hochmut. Ich bin auch nichts Besseres. Ein Wurm bin ich, kein Falke.
    Das Schlimmste sind die Fliegen. Kaum erwärmt die Sonne die Luft mit den ersten Morgenstrahlen, erwachen sie aus ihrer nächtlichen Starre und kriechen aus den dürren Gräsern. Erst eine, zack, dann eine zweite, wumm, und bald ist es ein schwarzer Schwarm. Auch der Wind vermag sie nicht zu vertreiben. Es sind dicke, nicht die Stubenfliegen, die zarten, die wir bei uns kennen, dies sind Raubtiere, darauf aus, zu beißen und zu saugen, das wenige Fleisch, das vorbeikommt den langen Tag. Sie versuchen immer, in einen einzudringen, nicht der salzige Schweiß

Weitere Kostenlose Bücher