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Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens

Titel: Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Westrup
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die Bar an der Straßengabelung. Das erste Bier stürze ich in einem Zug herunter. Ich bin wie ein Schwamm, der leer und trocken von der Flüssigkeit angefüllt wird, erst das zweite Bier löscht den Durst, bringt Erfrischung, Ruhe, Erlösung.
    Schön liegt die Kathedrale über dem blauen Strom, honiggelbe trutzige Türme mit winzigen Schlitzen der wenigen Fenster, Kubus über Kubus türmt sich vom Wasser den Hügel empor, zeitlos, im Fluß auf versoffenen Bögen die ehemaligen Mühlen. Ich liege im Gras vor dem wispernden Schilf, das Wasser zieht träge über glucksende Steine, Enten spielen auf wachsenden Kreisen. War ich nicht eben noch in der afrikanischen Savanne, gelb verbrannt unter tödlicher Sonne? Ein Fenster öffnet sich in ein Paradies, grün und frisch und blau und weich, die Römerbrücke spannt rosagelb im Abendlicht ihre jahrtausende alten Bögen über den fließenden Strom. Ich erkenne gleich, dies ist eine ruhige, alte, vornehme Stadt. „Museum der Romanik“ wird sie deshalb auch genannt, unverändert, unzerstört überkommen aus der fernen, alten Zeit der christlichen Ritter.
    Wenn ich die Wildnis verlasse, sehe ich immer aus wie ein Soldat, der aus dem Manöver kommt, über und über mit gelben Ähren behangen, die überall sind. Die Schuhe sind rot von dem Staub, der auch überall ist.
    An der Plaza Mayor finde ich das einfache Hostal „La Reina“ – die Königin – für 20 Euro pro Nacht. Diese Stadt gefällt mir, lange sitze ich noch auf einem Platz unter schattigen Platanen gegenüber dem Parador im Palast Alba y Aliste und trinke einen schönen weißen Wein aus der „Tierra del Vino“. Ich bin heimgekehrt in die Umarmungen der Zivilisation, die Geborgenheit der alten menschlichen Kultur. Zum Essen finde ich ein feines Reataurant, gleich neben meinem Hostal. Es ist auch das Einzige an der Plaza Mayor, alle anderen sind Bars oder Cafeterias. Ich habe keine Lust, weiter zu suchen. Als ich eintrete, merke ich gleich, daß es wohl sehr teuer werden wird, aber mich umarmt die vornehme Eleganz nach all dem Dreck und Staub und der Primitivität der letzten Tage. Heute belohne ich mich. Santiago erlaubt es. Außer zwei Holländern bin ich um halb zehn der Einzige, der trotzdem gleich an einen Tisch ganz in der Ecke gesetzt wird. Das Lokal ist leer, auf jedem weiß gedeckten Tisch steht eine Armada von Gläsern, Tellern, Bestecken und gefalteten Servietten. So ist das, wenn man ein Single ist!
    Das Restaurant ist wieder so elegant modern eingerichtet zwischen den rohen Sandsteinwänden, wie die Spanier es lieben in ihren alten Städten. Ich auch. Endlich kein laut aufgedrehter Fernseher mit Stierkampf und Fußball. Dafür laute Musik und gleißendes Licht. So mögen es die Spanier. Ich nicht. Dann aber kommt’s: Gänseleber karamelisiert auf Blinis. Danach butterzartes Rindfleisch in brauner Rotweinsoße mit Trüffeln. Dazu trinke ich einen Toro roble 2001. Das ist kein Stierblut, sondern ein Wein aus dem Nachbarort Toro, der Hauptstadt der Tierra del Vino. Zum Dessert einen braunen heißen Schokoladenklecks auf riesigem, weißen Teller mit einem delikaten Fruchteis. So belohnt Santiago seine Pilger, wenn sie aus der Wüste kommen. Leiden und Freuden, Entbehrung und Genuß, das ist das Glück der Jakobswege. Ich tu mir gut. Gestern ein Bettelmann, heute ein König.
    Ich frage, ob ich an die Bar muß zum Rauchen. Man serviert mir Streichhölzer „Tres Estrellas“ und eine silberne Zigarrenschale „Montechristo“. Dazu einen feinen Brandy 1866 Gran Reserva. Die Spanier kommen erst um halb elf. Ich knoble, wie ich die nächsten Tage verbringen werde. Ich muß einiges an meinem Plan ändern. Ich habe nämlich eine Verabredung mit drei Pilgerfreunden, zwei Holländern und einem Franzosen, die ich im vorigen Jahr auf dem Camino Primitivo in Asturien traf. Wir wanderten einige Tage gemeinsam und wurden Freunde. Als ich sie im Januar dieses Jahres in Delft besuchte, verabredeten wir ein Treffen Anfang Juni in Zamora, um wieder ein Stück Weges gemeinsam zu wandern. So geht das auf dem Weg. Man kennt sich nicht, man trifft sich, wird Freund fürs Leben und sieht sich wieder. Wir sind alle Jakobs Kinder. Er führt uns zusammen, wenn er will. Er führt uns alle auf seinem großen Schachbrett, Figuren sind wir nur, er hat den Plan, wir folgen ihm. Er weiß warum und woher und wohin. Er kennt sich aus und wir fragen nicht.
    Die Drei wollen Dienstag kommen, heute ist Samstag. Ich muß also noch drei

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