Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
und gemütlich hier.
Zu essen bekommen wir auch. Wir werden in das Speisezimmer geführt. Dies ist in einem Anbau untergebracht, der nie fertig geworden ist. Unverputzte, rohe Ziegelwände, roher Betonfußboden, nackte Betondecke, fensterlose Öffnungen. Das Essen gibt es auf dem ehemaligen Schreibtisch aus braunem Nußholz mit zwei alten Bürostühlen mit blauen Plastiksitzen. In der Ecke steht die Waschmaschine, Hosen und Hemden hängen auf der Leine. Neben dem Tisch eine rosa Plastikwanne, in die es von dem undichten Dach hineintropft. An der Wand lehnen weiße Eisengitter für die Balkone, die nie eingebaut wurden.
Teresa hat gekocht und serviert uns unser Pilgermenü: den üblichen Salat, Nudeln mit Tomatensoße, eine saftige Hühnchenbrust mit weichen, knatschigen Fertig Pommes Frites. Auch eine Flasche Rotwein gibt es wie immer dazu. Teresa sitzt die ganze Zeit daneben und guckt uns beim Essen zu. Nach dem Essen verdrücken wir uns in den Ort in eine „Wildwestbar“ zu Fußball und zwei Brandys. Die Bauern stehen laut schreiend im Raum mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, Zigarren rauchend und Erdnüsse kauend. Der Boden ist von den Schalen übersät, die sie mit den Zähnen und in hohem Bogen auf den Boden spucken.
Das Luxushotel
Dienstag, der 13. Juni, von Palacios de Sanabria
nach Puebla de Sanabria
12,6 Kilometer, gesamt 715,7 Kilometer
33. Wandertag
Tom geht schon um sieben Uhr los. Er will heute bis Requejo laufen. Ich habe Zeit, frühstücke bei Teresa Crostados mit Marmelade und Café con leche. Danke Teresa, es war schön bei Dir in Deinem Fünfziger Jahre Haus. Heute muß ich dreimal die Autobahn kreuzen. Schöne Wege durch feuchte, grüne Wälder und halbzerfallene Dörfer. Ich nähere mich Galicien. Das winzige Örtchen Otero de Sanabria hat eine gewaltige, braune Kirche mit rundem Turmhelm, viel zu groß für den kleinen Ort. Das sind diese Pilgerkirchen, die gebaut wurden für die Hunderte von Pilgern, die hier vorbeikamen jeden Tag, die Messen feierten und in den Kirchen übernachteten.
Im Säulenumgang bewundere ich das berühmte Höllenrelief: unter einer gewaltigen in Stein gehauenen Jakobsmuschel unter dem Türsturz über der grünen Tür sitzen sieben nackte Gestalten in einem Flammenmeer, alle rosig angemalt. Die reuigen Sünder, zu Jakob betend. An der anderen Tür in den Viertelskreisen zwei ergreifende Medaillons: zwei Evangelisten mit braunen Talaren und weißer Lockenpracht, die naive Frömmigkeit des Mittelalters.
Mittags mache ich auf einer Heidewiese an einem Felsen unter blühendem Ginster eine kurze Rast. Es ist feucht und kühl, ich behalte die Regenjacke an. Eine Schafherde kommt durch die Ginsterbüsche mit ihrem Schäfer und zwei Hunden. Die Schafe haben mich schnell eingekesselt und grasen um mich herum. Der Mann hockt sich neben mich, die Hunde legen sich zu meinen Füßen. Er redet auf mich ein, ich verstehe wenig. Ein einfacher, etwas beschränkter Mensch, er trägt Tennisschuhe, von denen die Sohle schon halb herabhängt. Er freut sich einfach, einen Menschen getroffen zu haben in seiner großen Einsamkeit. Ich höre ihm geduldig zu. Er erzählt mir irgendetwas von seinen Perros – seinen Hunden. Bald muß er seinen Schafen folgen, die Tiere rasten nicht und sind schon weiter gezogen. Als die Herde verschwunden ist, ist der Boden abgeweidet und von Tausenden von schwarzen Kügelchen bedeckt.
Pueblo de Sanabria ist ein größerer Ort, Mittelpunkt des Valle de Sanabria, ein Hochtal auf 900 Meter Höhe. An kleinen Hotels vorbei überquere ich den Río Tera auf hoher, steinerner Brücke, hoch oben über mir liegt auf felsigem Sporn der alte Ort mit seiner mächtigen Burganlage. Ich steige die steile Treppe empor in die Oberstadt, hunderte von Stufen, oben verschnaufe ich, ein atemberaubender Blick hinunter ins tiefe Tal, von wo ich herkam, dann winde ich mich durch schmale, uralte Gäßchen zum Kirchplatz. Graue, schweigende Mauern, feuchtglänzend, die romanische Kirche Nuestra Señora de Azogue mit eisernem Käfig und Glocke auf dem steilen Turm. Es gibt zwei Hotels, „La Posada de la Puebla de Sanabria“, ein altes gediegenes Steinhaus mit schmiedeeisernen Balkonen und überquellenden Polstern von weißen und roten Geranien, gegenüber „Posada de las Misas“, noch älter, noch vornehmer, noch stolzer.
Ich wähle die gemütliche Gaststube der Posada de la Puebla, braunes Holz mit Deckenbalken unter weißer Decke. Das gefällt mir. Da trinke ich
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