Auf der Silberstrasse 800 Kilometer zu Fuss durch die endlosen Weiten Spaniens
edlen Deutschen lobt. Ich bestelle ein warmes Bier aus der Flasche – Gläser gibt es nicht – und fühle mich peinlich und unbequem.
Nach der Lobeshymne macht er mich gleich wieder um einen Euro an. Ich sage ihm: „finito, ich habe dir gestern fünf Euro gegeben, mehr gibt’s nicht“. Er will mich gleich bei Freunden im Nachbarort zum Abendessen einladen, ich lehne dankend ab und mache, daß ich davon komme. Armer, verkommener Mensch ohne Heimat. Marguerita hatte mir heute morgen erzählt, daß er für meine fünf Euro gleich mehrere Flaschen billigen Rotwein gekauft hat und mit seinem Kumpan noch bis nach zwölf Uhr nachts laut lärmend in der Herberge gefeiert hat.
Diese Bar-Tiendas findet man in Galicien in diesen einsamen, menschenleeren Gegenden in den Orten, wo es weder Restaurant noch Läden gibt. Dort bekommt man alles, was die wenigen Menschen zum Leben brauchen, Streichhölzer, Zigaretten, Brot, Wein, Coca-Cola, Kartoffeln in Säcken, Würste, vergammelten Schinken, ranzigen Käse, Klopapier, matschige Tomaten, angefaulte Pfirsiche und vieles mehr, alles in unvorstellbarem Chaos durcheinander und übereinander gelagert. Hier muß man einkaufen, sonst gibt es nichts. Nebenbei ist es auch noch Bar für Bier, Schnaps und Café und ein öffentliches Telefon. Meist sind die Wirtsleute freundlich und helfen einem gern weiter. „Buen Camino“, auch von den Pilgern leben sie.
Im leichten, warmen Nieselregen streife ich über eine verwunschene Hochfläche. Wie Riesenspielzeug liegen rundgewaschene Steine auf einer Hochheide, in den Senken murmeln kleine, klare Bächlein durch das Steingewirr, menschenleer, wie alles hier. Am höchsten Punkt, dem Alto do Canizo, kreuze ich auf hoher Brücke die tief eingeschnittene Eisenbahn. Unten in weitem Tal sehe ich schon grau zwischen grauen Hügeln A Gudina liegen, ein verbauter Klecks am Schnittpunkt zwischen Autobahn und Straße.
Von Nordwesten,vom Meer, quellen schwarze, dicke Wolken empor, ich muß mich eilen, bevor mich die Düsternis verschluckt. Ein böser, kalter Wind pfeift über die baumlosen Hügel, ich erreiche die ersten Häuser, schnell den roten Poncho über, darunter bin ich sicher und geborgen, als das Inferno beginnt. Der wütende, durch nichts gehemmte Sturm peitscht den harten Regen waagerecht über die Carretera, die binnen Sekunden eine gurgelnde Wasserfläche ist, durch die peitschend die wenigen Autos pflügen.
Ich rette mich quer über die Straße in eine Bar, die mit hellem Licht warmen Unterschlupf verspricht. Kaum komme ich durch die Tür, die der Orkan immer wieder mit Gewalt zudrücken will. Drinnen ein warmer, trockener Ort, ich schleppe eine Pfütze Wasser an meinen Tisch, die einsamen Männer schauen mich verwundert an, als ich mich aus meiner Regenhaut winde, Strohhut, Rucksack, Stiefel, alles naß, Bächlein rinnen auf den Fliesenboden. Draußen peitscht der Wind Regenfluten an die Fenster, die im Sturm zittern, es ist stockdunkle Nacht geworden, die Scheinwerfer der Autos geistern durch den Regenvorhang. Dann nicken die Männer mir aufmunternd und verständnisvoll zu, sie verstehen das Inferno, dem ich entronnen bin. Nach zwei Bier läßt der Regen schon nach, es pladdert jetzt nur noch stetig, die Orkanböen sind vorübergezogen in die Cordillera. Ich raffe mich auf, die Herberge ist nicht weit, hier sitzen sie alle auf ihren Betten, die ich kenne, ich bin wie immer der letzte.
Eine ordentliche Herberge, der Hospitalero besteht darauf, daß die nassen Schuhe und der Poncho in der Eingangshalle bleiben. Nach dem Regenguß essen wir gemeinsam in dem einzigen Restaurant bei Antón im hell erleuchteten Comedor zu Abend, eine feine Gemüsesuppe mit Kartoffeln, Tenero mit schönen matschigen Pommes in fettiger Soße. Danach brauche ich drei gelbe, süße Aguardiente zum Herunterspülen. Heute Abend sitzt ein finnisches Ehepaar an unserem Tisch, sie spricht nur Finnisch, er kann etwas Englisch mit finnischem Akzent. Ansonsten sind sie eher schweigsam, so wie ich mir die Finnen so vorstelle.
Teil 4
Das Land der grünen Täler
Durch Galicien
Caminante, son tus huellas
el camino, y nada mas;
Caminante, no hay camino
se hace camino al andar.
Al andar se hace camino,
y a volver la vista atrás,
se ve la senda que nunca
se hace de volver a pisar.
Caminante, no hay camino
sino estelas en el mar.
Antonio Machado
Wanderer, deine Spuren
sind der Weg und nichts
anderes mehr;
Wanderer, es gibt keinen Weg,
den Weg
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