Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
nicht auffallen.«
Die Tat ereignete sich so, wie ich es beim Aktenstudium gelesen hatte: Angriff mit dem Buddelschiff und heftige Gegenwehr von Violetta Winter. Der Mann wirft sich mit seinen hundert Kilo auf ihren Körper, sie kann sich für einen Moment befreien und »drischt« mit ihrem Schuh auf den Angreifer ein. Erneut steigert sich Herbert Ritters Wut, als er ihren Kopf mit voller Wucht auf den Boden schlägt und sie minutenlang zu Tode würgt. Da er sich nicht sicher ist, ob er sie auch tatsächlich getötet hat, holt er aus der Küche ein Messer, sticht gezielt in ihre Herzgegend und schlägt mit einem Hammer ihren Kopf ein. Dann zerschneidet er die Kleidung, findet einen Dildo, führt ihn der Toten ein und legt ihn neben der Leiche ab. Versucht anschließend, die Brustwarzen abzuschneiden und die Kehle aufzuschlitzen. Als ihm beides nicht gelingt, stößt er der toten Frau das Messer in die Vagina. Dann startet er eine chaotische Suche nach Geld und findet vier Briefumschläge mit jeweils 500 Mark. Zwanzig Minuten nach Tatbeginn flüchtet er.
Stur unterbrachen wir Herbert Ritter ein drittes Mal. Wozu der Dildo? Wozu die Versuche, ihr die Brustwarzen zu entfernen? Wozu die Stiche in die Vagina? Wo doch nichts davon für den Raubmord nötig gewesen war, so wenig wie bei Tanja Rose die Bauchstiche und der eingeführte Telefonhörer. Ebenso stur blieb er bei seinen einsilbigen Antworten und gab sich verschlossen: »Weiß auch nicht warum. Hat auch nichts zu bedeuten.« Jetzt hatte ich keine Zweifel mehr daran, dass er uns seine wahren Motive verschweigen wollte.
In den Wochen nach der dritten Tat versinkt Herbert Ritter immer tiefer in die Alkoholabhängigkeit und ist fast nur noch betrunken. Als ein weiterer Selbstmordversuch scheitert, wird er in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses aufgenommen. Dort bleibt er ein knappes halbes Jahr. Nach zwei weiteren Suizidversuchen erfolgt seine kurzzeitige Verlegung auf die geschlossene Abteilung. Zurück in der offenen Station, beginnt er erneut mit dem Trinken und will sich wieder das Leben nehmen. »Ich konnte den inneren Druck, die Frauen getötet zu haben, nicht mehr aushalten.« Er bezichtigt sich in einem Abschiedsbrief der Morde, schildert seine ausweglose Situation, betrinkt sich, kündigt einem Mitpatienten seinen Freitod an und »schnibbelt« mit Rasierklingen an den Pulsadern herum. Der Suizidversuch wird bemerkt, die Wunden werden genäht, und ein Arzt liest den Abschiedsbrief. Als er Herbert Ritter dazu befragt, schüttelt dieser heftig den Kopf und versichert, sich alles nur ausgedacht zu haben: Seine Gewaltphantasien und der Alkohol hätten in seinem Kopf »wieder mal alles durcheinandergebracht«. Der Arzt glaubt ihm und informiert nicht die Polizei.
Die drei Morde waren nun geklärt. Herbert Ritters Schilderungen entsprachen in allen drei Fällen unseren Feststellungen über das Tatgeschehen. Auch konnte er sein Wissen nicht nur vom Hörensagen haben – dafür war es zu detailliert. Die Suche nach dem Täter war damit beendet. Doch in meinem Kopf geisterte immer noch die Frage herum: Was hatte Herbert Ritter zu den außergewöhnlichen Handlungen an den Leichen veranlasst? Also fragte ich ihn erneut, ob es ihm nicht doch um sexuelle Befriedigung gegangen sei. Wie erwartet wehrte er sich erneut gegen diese Auslegung: »Ich wollte Geld und keinen Sex. Ich habe mich auch nie anschließend ausgezogen oder onaniert. Damals war mir das Leben dieser Frauen nichts wert. Sie sollten mich nach den Überfällen später nicht wiedererkennen. Freude am Töten habe ich nicht empfunden.«
Wir beließen es dabei und fragten Herbert Ritter abschließend, ob ihm die Frauen leidgetan hätten. Seine Antwort: »Damals habe ich kein Mitleid für sie empfunden. Heute schon.«
Doch auch dieses späte Mitleid wirkte auf mich eher wie Selbstmitleid als echte Reue. Das passte zu meinem Gesamteindruck von Herbert Ritter und seinen Schilderungen der gestandenen Morde. Nie zuvor hatte ich es mit einem Täter zu tun gehabt, der seine Opfer so überlegt und kaltblütig eliminiert wie ein Auftragsmörder und dann wütend auf sie wird, wenn sie sich wehren.
Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass ein Richter nach der vorläufigen Festnahme eines Beschuldigten spätestens bis 24 Uhr des nächsten Tages einen Untersuchungshaftbefehl erlassen muss, ansonsten ist der Beschuldigte freizulassen. Deshalb erklärten wir die Vernehmung an diesem Punkt für beendet.
Doch
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