Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Publikation amerikanischer Serienmörder-Studien trug einiges zur Verzerrung der öffentlichen Wahrnehmung bei.
Der Begriff Serienmörder ist kein Wort aus der Neuzeit, auch wenn diese Wortschöpfung dem FBI-Agenten Robert K. Ressler zugesprochen wird. Bereits 1930 hatte der angesehene Kriminalrat und Leiter der Berliner Mordkommission Ernst Gennat, ein Vorreiter der methodischen Aufarbeitung von Verbrechen, den Begriff Serienmörder in seinen Fallschilderungen über den Düsseldorfer Peter Kürten benutzt. Obwohl das Serienmörder-Phänomen seit langer Zeit diskutiert wird, gibt es hierfür keine allgemeingültige Definition. Ich definiere einen Serienmörder als einen Täter, der zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten mindestens zwei Menschen tötet, zu denen er – fast immer – keine Vorbeziehung hat. Seine Opfer sucht er regelmäßig nach pragmatischen Überlegungen aus und berücksichtigt, wie er sie am einfachsten in seine Gewalt bekommen kann. Seine Taten unterliegen einem inneren Zwang, bei dem sexuelle und häufig sadistische Phantasien befriedigt werden sollen. Zwischen den einzelnen Tötungen besteht kein Zusammenhang. Die latent vorhandene Bereitschaft zum Töten wird unmittelbar vor den Taten durch Stress forciert, der als sogenannter trigger factor die Taten erst auslöst: zum Beispiel Spannungen in der Ehe oder in der Beziehung, Probleme mit den Eltern, finanzielle Belastungen, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder mit der Justiz.
Nach den einzelnen Morden kann eine vorübergehende Cooldown-Phase , die Abkühlung der inneren Zwänge, einsetzen, bis sie wieder so stark werden, dass die Täter erneut töten.
Zu der Zeit des Serienmörder-Hypes begann auch ich mich intensiv mit der Methode der Fallanalyse und des Täterprofilings zu beschäftigen. Die FBI-Erkenntnisse aus den Serienmörderbefragungen waren nach Europa und Deutschland geschwappt und schienen Verbrechen mit ungewöhnlichem Täterverhalten erklärbarer zu machen. Mit herkömmlicher Ermittlerarbeit konnte ich zwar einen Mord aufklären, erfuhr jedoch nur wenig über das Motiv, und das reichte mir seit den Morden von Herbert Ritter nicht mehr aus. Ich wollte mehr über die Hintergründe von Tötungsdelikten erfahren und wissen, welche Bedeutung die häufig unerklärbaren Entscheidungen der Täter hatten.
So kam es, dass ich mir, fast fünfzehn Jahre nach der Verurteilung des Mörders der drei Prostituierten, die Fälle von Herbert Ritter erneut vornahm. Ich wertete die Akten aus – Tatortbefundbericht, Spurensicherungsbericht, Obduktionsprotokoll, Fotomappe – und führte für mich eine Art vergleichende Analyse durch. Ich wollte überprüfen, ob ich mit der Methode des Profilings schon während der Bearbeitung der Fälle die Aussage hätte treffen können, dass alle Taten von ein und demselben Täter begangen worden waren.
Für meine nachfolgende tabellarische Übersicht bewertete ich nur die harten, bewiesenen Falldaten und ließ die Aussage von Herbert Ritter unberücksichtigt. Das ist für mich die wesentliche Herangehensweise bei dem Vergleich von mehreren Taten, da subjektive Bewertungen des Täterverhaltens das Ergebnis der Analyse verfälschen können.
Parameter Fall Ramona Braun Fall Tanja Rose Fall Violetta Winter
Tatzeit: Werktag, späte Nachmittagsstunden Werktag, späte Nachmittagsstunden Werktag, späte Nachmittagsstunden
Tatort: Innenstadt, Mehrfamilienhaus, Apartment Innenstadt, Mehrfamilienhaus, Apartment Außenbezirk, Mehrfamilienhaus, Apartment
Anzahl der Tatorte (TO): 1 TO: Kontrollaufnahme, Kontrollgewinnung, Tötung 1 TO: Kontrollaufnahme, Kontrollgewinnung, Tötung 1 TO: Kontrollaufnahme, Kontrollgewinnung, Tötung
Opfer: Prostituierte Prostituierte Prostituierte
Situative Faktoren: Bei der Arbeit, allein Bei der Arbeit, allein Bei der Arbeit, allein
Tatvorbereitung: Tatwaffe: Messer zum TO mitgenommen Tatwaffe: Messer zum TO mitgenommen Gelegenheitswaffen: Flasche, Messer, Hammer
Kontaktaufnahme: Täter vermutlich Freier Täter vermutlich Freier Täter vermutlich Freier
Kontrollgewinnung: Ausnutzen der Situation, überraschender Angriff, Stechen Ausnutzen der Situation, überraschender Angriff, Stechen Ausnutzen der Situation, überraschender Angriff, Stechen
Widerstand des Opfers/Kontrollaufrechterhaltung: Täter ignoriert Widerstand, Steigerung der Gewalt: Stiche in Brust und Rücken Täter ignoriert Widerstand, Steigerung der Gewalt: Würgen, Stiche in Brust und Rücken Täter
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