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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Petermann
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viele sehr kleine Papierschnipsel. Hier hatte offenbar jemand ein Schriftstück nicht nur sprichwörtlich in tausend Stücke gerissen. Die Schnipsel konnte ein Kollege der Mordkommission weitgehend zusammensetzen – zu einem Brief von Angelika Roth. Anscheinend an ihren Mann.
    Etwa zwei Stunden später kehrte ich in den Vernehmungsraum zurück und informierte Michael Roth über den Tod seiner Frau, ohne dabei erst einmal zu verraten, unter welchen Umständen seine Frau gestorben war. Konkret interessierte mich seine Reaktion auf diesen Schicksalsschlag. Doch der Mann nahm meine Mitteilung scheinbar ungerührt und kommentarlos hin und stellte auch keine Fragen nach dem Wie, Wann und Wo der Tat. Für mich erneut ein sehr auffälliges Verhalten: Verhielt sich so ein besorgter Ehemann, der trotz aller Konflikte alles unternommen hatte, um seine verschwundene Frau zu finden? Bislang hatte er ja nicht einmal die Angst geäußert, ihr könne etwas zugestoßen sein. Ich fragte Michael Roth nach den Gründen seines Desinteresses. Aber auch jetzt wollte er keine Details wissen.
    Häppchenweise schilderte ich ihm nun die näheren Umstände der Tat. Erst jetzt zeigte Michael Roth eine emotionale Reaktion: schluchzte, verbarg sein Gesicht in den Händen und verharrte für wenige Momente in dieser Stellung. Doch war seine Trauer tatsächlich echt? Auf mich wirkten seine Regungen aufgesetzt und einstudiert. Ganz anders als sonst bei Menschen, denen ich eine Todesnachricht überbringen musste.
    In den nächsten Stunden wiederholte Michael Roth konsequent stereotyp Fragmente seiner ursprünglichen Aussage: »Ich habe gehofft, dass wir wieder zueinanderfinden.« »Ich habe sie überall gesucht.« »Nein, ich habe mit dem Tod meiner Frau nichts zu tun.« Im Büro seiner Frau habe er nicht gesucht, da er doch keinen Schlüssel dafür habe. »Wie sollte ich denn auf die Idee kommen, hinter einer verschlossenen Tür zu suchen?!«
    Trotz seiner Erklärungsversuche und Trauerbekundungen verstärkte sich mein Gefühl, dass Michael Roth seine Frau getötet und die Suche nach ihr lediglich inszeniert haben könnte. Dieser Verdacht erhielt neue Nahrung, als meine Kollegen auf der Suche nach Hinweisen in der Wohnung von Michael Roth Geschäftspost fanden, die nach dem Verschwinden von Angelika Roth an die Firmenadresse geschickt worden war. Als ein Kollege und ich Michael Roth auf den Fund ansprachen, versuchte er diesen Umstand als völlig normal darzustellen: Schließlich besitze er doch einen eigenen Briefkastenschlüssel, da habe er die Schreiben an sich genommen, um Hinweise auf den Aufenthalt seiner Frau zu finden. Als Beweis für seine Aussage löste er von seinem Schlüsselbund einen Schlüsselring, an dem ein einzelner abgewetzter Briefkastenschlüssel hing.
    Heute weiß ich, dass es ausschließlich mein Misstrauen war, als ich Michael Roth nach fast sechs Stunden Vernehmung über seine Rechte als Beschuldigter belehrte und ihn Stunden später nachts um halb drei wegen Mordverdachts vorläufig festnahm. Außer der ungeklärten Herkunft der Post lag bis dahin kein konkreter Beweis gegen ihn vor. Trotzdem erließ der zuständige Vorermittlungsrichter den Untersuchungshaftbefehl. Was nun folgte, war ein beispielloser Indizienprozess, bei dem ein Briefkastenschlüssel die zentrale Rolle spielte.
    Nach und nach kristallisierte sich bei den Befragungen von Angelika Roths Angestellten heraus, dass diese ihrem Mann misstraut und aus Furcht, er könnte ihr Leben ausspionieren und kontrollieren, Vorsorge getroffen hatte. Dazu hatte sie unter anderem den einzigen existierenden Briefkastenschlüssel zusammen mit dem Büroschlüssel an einem Schlüsselring befestigt und an ihren Schlüsselbund gehängt. Die Zeugen beschrieben die deutlichen Gebrauchsspuren auf dem Schlüssel und berichteten weiter, Angelika Roth habe ihnen nur selten den Schlüsselbund gegeben, mit der Bitte, ihren Briefkasten zu leeren.
    Zwar war der Schlüsselbund bei der Tatortarbeit gefunden worden, doch der von den Zeugen beschriebene Ring mit den beiden Schlüsseln fehlte. Das konnte nur bedeuten, dass der Täter den Schlüsselring vom Bund gelöst und an sich genommen hatte, um Angelika Roth im Büro einzuschließen und die Post aus dem Briefkasten zu nehmen. Für mich eine wichtige Aussage zum Täter: Hätte ein Fremder nicht den kompletten Schlüsselbund statt des Schlüsselringes an sich genommen, um Angelika Roth im Büro einzuschließen? Weshalb also nur die beiden

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