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Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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In der einen Minute umgab sie das frostige Zwielicht der Nacht, in der nächsten wurde der Himmel heller, die Sterne verblassten, und strahlender Sonnenschein gestaltete die Landschaft um. Die Wüste verwandelte sich von kalten, nackten Gebeinen zu heißem, trockenem Fleisch.
    Sie schleppten sich weiter.
    Schritt. Schritt. Schritt. Schritt.
    »Schützt die Augen«, rief Burton.
    Auf seine Empfehlung hin trugen alle eine Kufiya   – ein quadratisches Kopftuch aus bunt gestreiftem Material, das mit einer Art Kordel namens Agal auf dem Kopf befestigt wurde und das sie sich nun über die Gesichter zogen. Das Licht schien zwar durch den Stoff, blendete sie jedoch nicht. Als sie zur Kuppe der Düne gelangten, konnten sie durch das Gewebe deutlich erkennen, dass der rothaarige Dichter bereits unten angekommen war und mit dem nächsten Aufstieg begann.
    »Ich spüre Hitze!«, rief Krishnamurthy. »Jetzt schon!«
    »In den nächsten zwei Stunden wird sie unerträglich«, prophezeite Burton. »Aber bis dahin werden wir unser Lager in Al Atif aufgeschlagen haben.«
    Ein paar Meter entfernt blickte Honesty zur riesigen, geschmolzenen Kugel der Sonne empor und flüsterte: »Gladiolus gandavensis.«
    »Was?«, fragte Trounce.
    »Eine Pflanze. Nicht besonders widerstandsfähig. Mag den Winter nicht. Die Wurzeln lässt man bis Mitte März am besten in Sand. Dann pflanzt man sie einzeln in Töpfe. Man muss sie nähren, William. Man setzt sie in einem Treibhaus an.«
    Es war das erste Mal in all den Jahren ihrer Zusammenarbeit, dass Thomas Honesty seinen Kollegen Detective Inspector Trounce mit Vornamen angeredet hatte.
    »Meiner Treu, Honesty   – geht es Ihnen gut, alter Freund?«
    Der kleine, adrette Mann lächelte. »Denke nur gerade an meinen Garten. Was ich darin machen werde, wenn ich zurück bin. Gärtnern Sie gerne?«
    »Darum kümmert sich meine Frau. Wir haben nur ein kleines Fleckchen zur Verfügung, und das wird von Kohl und Kartoffeln beherrscht.«
    »Ah. Praktisch.«
    Schritt. Schritt. Schritt. Schritt.
    »William.«
    »Ja?«
    »Ich habe falschgelegen.«
    »Falsch?«
    »Bei Spring Heeled Jack. Hab Ihnen nicht geglaubt.«
    »Hat auch sonst niemand.«
    »Aber Sie hatten recht. Er war bei dem Attentat auf Victoria.«
    »Ja, war er.«
    »Verzeihen Sie mir? Hab Sie falsch eingeschätzt.«
    »Längst geschehen, alter Freund.«
    »Wenn wir zurück sind, würde ich gerne etwas tun.«
    »Was?«
    »Sie und Mr. Trounce   – kommen Sie zu uns. Trinken Sie Tee mit Vera und mir. Im Garten.«
    »Es wäre uns eine Ehre.«
    »Vielleicht blühen dann schon die Gladiolen.«
    »Das wäre schön.«
    »Ahoi, Leute!«, brüllte Swinburne. »Ich sehe Palmen!«
    »Die Oase«, sagte Burton.
    »Dem Himmel sei Dank!«, stieß Krishnamurthy atemlos hervor.
    »Arsch!«, krächzte Pox.
    Sie stiegen zu dem Dichter hinauf und blieben neben ihm stehen. Er deutete auf einen fernen Streifen blendend grellen Lichts. Die anderen kniffen die Augen zusammen und sahen durch ihre Wimpern und Kufiyas , dass wogende Palmen den hellen Streifen sprenkelten.
    »Bitte, Captain Burton, sagen Sie nicht, dass es sich um ein Trugbild handelt!«, rief Schwester Raghavendra.
    »Nein«, erwiderte Burton. »Das ist echt. Es ist genau dort, wo es sein sollte. Marschieren wir weiter.«
    Sie alle tranken einen Schluck Wasser aus ihren Flaschen, dann nahmen sie die harte Arbeit wieder auf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, immer und immer wieder. Dabei wagten sie nicht aufzuschauen, weil sie fürchteten, die Oase könnte in Wirklichkeit weiter weg sein, als sie gehofft hatten.
    Schritt. Schritt. Schritt. Schritt.
    Eine weitere Stunde verstrich. Die Temperatur stieg weiter an und raubte ihnen die spärliche Kraft, die ihnen noch geblieben war.
    Plötzlich gelangten sie in tiefen Schatten. Grüne Vegetation umgab sie. Als sie letztlich den Blick hoben, erspähten sie nur wenige Meter vor ihnen einen langen, schmalen See.
    »Gott sei’s gedankt!«, rief Isabella Mayson und sank zu Boden.»Lassen Sie mich kurz verschnaufen, dann bereite ich uns ein Essen zu, während die Herren ein Sonnensegel aufspannen.«
    Vierzig Minuten später genossen sie eine karge Mahlzeit: Würstchen aus der Dose, Brot und Essiggurken, die sie mit frischem Wasser und einem Glas Rotwein für jeden hinunterspülten. Letzteres war ein Luxus, auf den Swinburne ungeachtet der Anweisung Burtons bestanden hatte, das Gepäck so leicht wie möglich zu halten.
    Seufzend legten sie sich hin.
    »Meine Füße

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