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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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müssen oder seinen leutseligen, müßigen, königlichen Rundgang zu unterbrechen, der Beflissenheit aller Genüge zu tun, indem er bloß murmelte: »Guten Abend, mein Bester, guten Abend, lieber Freund, sehr angenehm, Monsieur Bloch, guten Abend, Argencourt«, während er mir, als er meinen Namen hörte, die besonders ehrende Anrede: »Guten Abend, junger Nachbar, wie geht es Ihrem Vater? Welch ein trefflicher Mann!« zuteil werden ließ. Aufwendige Achtungsbezeigungen ließ er einzig Madame de Villeparisis zukommen, die ihn mit einer Kopfbewegung begrüßte, während sie eine Hand aus ihrer Schürzentasche zog.
    Enorm reich in einer Welt, in der diese Eigenschaft immer seltener wird, hatte er die Vorstellung von seinem Riesenvermögen zu einem bleibenden Bestandteil seiner Person gemacht, so daß bei ihm die Eitelkeit des Grandseigneurs noch verstärkt wurde durch die des Finanzgewaltigen, wobei die feine Erziehung des ersteren nurknapp ausreichte, um die Selbstgefälligkeit des letzteren in Grenzen zu halten. Man verstand übrigens, daß er das Glück, das er zum Unglück seiner eigenen bei anderen Frauen hatte, nicht nur seinem Namen und seinem Vermögen verdankte, denn er war noch immer sehr schön, mit einem Profil, das die Reinheit und Klarheit der Konturen eines griechischen Gottes aufwies. 1
    »Wirklich? Sie ist bei Ihnen aufgetreten?« insistierte d’Argencourt bei der Herzogin.
    »Aber ja doch, sie hat etwas vorgetragen mit einem Lilienstrauß in der Hand und auch noch mit Lilien ›aufm‹ Kleid.« (Wie Madame de Villeparisis tat sich auch Madame de Guermantes auf eine sehr bäuerliche Aussprache gewisser Wörter etwas zugute, obwohl sie das R nicht rollte, wie ihre Tante es tat.)
    Bevor Monsieur de Norpois nolens volens Bloch in eine Fensternische entführte, in der sie miteinander sprechen konnten, war ich noch einmal für einen Augenblick zu dem alten Diplomaten getreten und hatte ihm rasch ein paar Worte wegen des Akademiesitzes für meinen Vater gesagt. Er wollte zunächst die Unterhaltung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Aber ich warf ein, daß ich bis dahin schon in Balbec sein werde. »Wie, Sie gehen schon wieder nach Balbec? Aber Sie sind ja der reinste Globetrotter!« Dann hörte er mich an. Bei dem Namen Leroy-Beaulieu betrachtete Norpois mich argwöhnisch. Ich stellte mir vor, er habe vielleicht Monsieur Leroy-Beaulieu gegenüber abträglich über meinen Vater gesprochen, und fürchtete, der Nationalökonom hätte es diesem erzählt. Sogleich schien er von einer wahrhaft liebevollen Zärtlichkeit für meinen Vater beseelt. Dann, nach einer jener Verlangsamungen des Redeflusses, wo dann ein Wort gleichsam gegen den Willen des Sprechers hervorbricht, weil die Unwiderstehlichkeit seiner Überzeugung die stammelnden Versuche, sie zu verschweigen,zunichte macht, sagte er förmlich ergriffen: »Nein, nein, Ihr Vater darf sich nicht bewerben. Er darf es nicht tun, in seinem Interesse, um seiner selbst willen, aus Achtung vor seinem Verdienst, das groß ist und das er durch ein solches Abenteuer kompromittieren würde. Dafür ist er zu schade. Selbst wenn er berufen wird, hätte er dabei nichts zu gewinnen und alles zu verlieren. Gottlob ist er kein Redner. Das aber ist das einzige, was bei meinen lieben Kollegen zählt, selbst wenn einer dabei immer nur dasselbe Lied singt. Ihr Vater hat im Leben ein wichtiges Ziel vor sich; auf das muß er seine Schritte richten und sich nicht dadurch ablenken lassen, daß er hier oder dort auf Büsche klopft, seien es auch die eher dornigen als blühenden im Hain des Akademos. 1 Zudem würde er nur wenige Stimmen auf sich vereinigen. Die Akademie läßt ihre Postulanten gern erst eine Probezeit durchmachen, bis sie sie in ihren Schoß aufnimmt. Für den Augenblick ist nichts zu machen. Ob nicht späterhin, möchte ich nicht behaupten. Doch die Korporation selbst müßte sich dann um ihn bemühen. Sie wendet freilich mit mehr blindem Fetischismus als Glück das Farà da sè 2 unserer Nachbarn jenseits der Alpen an. Leroy-Beaulieu hat mit mir über alles das in einer Weise gesprochen, die mir nicht recht gefallen hat. Er schien mir übrigens da ganz offenbar mit Ihrem Vater unter einer Decke zu stekken. Ich habe ihm möglicherweise etwas zu deutlich zu verstehen gegeben, daß er, der gewöhnt ist, sich mit Baumwolle und Metallen zu beschäftigen, die Rolle der Imponderabilien verkennt, wie Bismarck sich ausgedrückt hat. Was vor allem vermieden werden

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