Auf der Suche nach Tony McKay
dunkel und matschig. Die wenigen Leute, die bei diesem Wetter unterwegs sind, führen alle Hunde verschiedener Größe und Rasse an der Leine. [11]
Besonders ein Mann in einem karierten Regenmantel fällt auf, der einen Mops, angetan in identischem Mäntelchen, an der Leine führt und in ein Gespräch mit seinem Hund vertieft ist.
‘Du,’ sagt Britta aufgeregt und rammt mir ihren Ellbogen in die Seite, ‘ist das nicht der Boris Becker?’
Wir anderen gucken angestrengt in die Richtung. Eine Ähnlichkeit ist ohne Zweifel da, doch ob dies der Echte ist, lässt sich in diesem Zwielicht nicht ausmachen.
‘Mensch, ich lass’ mir ein Autogramm geben,’ sagt Britta und sprintet auf den Typen mit dem Mops zu.
‘Was ist denn in die gefahren?’ fragt Rosa.
‘Die hatte doch schon in der Schule so ein Ding für den Becker, hat sich alle Tennisturniere im Fernsehen angeguckt, wo der mitgespielt hat,’ sagt Heiko. Nach dieser Eröffnung wird mir einiges klar.
Der Mops-Ausführer ist immer noch in ein Zwiegespräch mit selbigem verstrickt und nimmt die auf ihn zusteuernde Britta zunächst nicht wahr.
‘Entschuldigung,’ ruft Britta gegen den Regen an. Da dreht sich der Mensch um und sieht die auf ihn zueilende Britta in ihrer Handtasche kramen, vermutlich nach Stift und Papier, aber was weiß der schon. Der sieht da nur eine durchgeknallte Frau auf sich zustürmen, die wahrscheinlich im nächsten Moment ein Messer oder Schlimmeres aus ihrer Handtasche zückt. So quiekt der Typ einmal kurz auf, nimmt Reißaus und zerrt seinen Mops an der Leine hinter sich her.
‘Moment mal, warten Sie doch,’ schreit Britta und nimmt die Verfolgung auf.
Der Mops ist erstaunlich gut zu Fuss auf seinen kleinen Stummelbeinchen, überholt den echten/falschen Boris, wobei sich die Leine zwischen den Beinen seines menschlichen Begleiters verheddert. Dieser gerät ins Straucheln, quiekt noch einmal und schlägt der Länge nach in den Matsch.
Britta ist aufgrund ihres Vorsprungs als erste am Unfallort. Der Mann, der vielleicht, vielleicht nicht Boris Becker ist, liegt regungslos da, der Mops kläfft uns an. Während Heiko beruhigend auf das Viech einredet und dabei genau wie seine Mutter im Gespräch mit Paulchen klingt, drehen wir das Unfallopfer auf die Seite. Der Mann ist besinnungslos. Eine Hälfte seines Gesichts ist matschverschmiert und aus einer Augenbraue sickert Blut.
‘Scheiße,’ sagt Rosa, ‘und was machen wir jetzt?’
‘Wir müssen Hilfe holen,’ sage ich und ziehe mein Handy aus der Tasche, das aber keine Batterie mehr hat. ‘Gib mir mal dein Handy, Britta.’
Aber Britta ist gelähmt vor Schreck. Mit einem Ausdruck des Horrors hockt sie neben dem Mann und sagt, ‘Oh Mein Gott, was hab’ ich getan? Ich habe Boris Becker umgebracht!’
Rosa fasst dem Besinnungslosen fachmännisch an den Hals, woraufhin der Mops ihr prompt in die Hand beißt.
‘Aua, kann mir mal einer die Bestie vom Hals halten?’
Heiko nähert sich dem Hund und versucht ihn von Rosa wegzulocken.
‘Na komm doch mal her du Feiner, ist ja alles gut, komm er mal her,’ trillert Heiko eine Tonlage höher als normal. Der Hund knurrt, aber lässt sich dann von Heiko hochheben. Rosa wickelt sich ein Taschentuch um ihre blutende Hand. Mit der anderen fühlt sie den Puls von Mopsens Herrchen.
‘Nee, der hat noch einen Puls, der ist nur besinnungslos.’
‘Heiko hast du ein Handy griffbereit? Wir sollten einen Krankenwagen rufen,’ sage ich.
‘Bin nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist. Was, wenn der die Polizei ruft, wenn er wieder zu sich kommt,’ meint Rosa, ‘dann sind alle unsere Pläne im Arsch und wir kommen nie nach Amerika.’
‘Aber wir können ihn doch nicht hier liegen lassen,’ gebe ich zu Bedenken.
Der Mann wimmert leise, schlägt dann das Auge, welches nicht zugeschwollen ist, auf, lächelt Heiko an und sagt ‘I love you, Tina,’ bevor er wieder besinnungslos wird.
Heiko streichelt dem Mops, der brav auf seinem Arm sitzt, gedankenverloren den Kopf, Rosa untersucht ihre Bisswunde, und Britta hockt neben dem Mann und wiegt sich vor und zurück, wobei sie unablässig ‘Oh mein Gott’ flüstert. Mein Instinkt sagt mir, diesen Haufen Irrer einfach sitzen zu lassen und ganz schnell ganz weit weg zu laufen. Tief ein und ausatmen.
‘Heiko, gib’ den Hund mal an Britta weiter und hol’ den Wagen hierher. Wir bringen den Typen besser ins Krankenhaus. Bei der Gelegenheit kann Rosa sich dann gleich eine
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