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Auf der Suche nach Tony McKay

Auf der Suche nach Tony McKay

Titel: Auf der Suche nach Tony McKay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yt Genthe
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ehrlich: die Wahrheit würde nicht nur über seinen, sondern auch über den Erfahrungshorizont aller Menschen, die ich kenne, gehen.
    Staszek flüstert Piotrek etwas auf Polnisch zu. Der zuckt mit den Schultern und nickt.
    ‘Wenn wollt, ihr könnt auch bei uns wohnen, haben kleine Wohnung in Osten von London,’ sagt Piotrek gastfreundlich zu Heiko, den er wohl für den Meinungsmacher unserer Gruppe hält.
    Britta wirft Heiko mit zusammengepressten Lippen einen Blick zu.
    Piotrek schreibt seine Telefonnummer auf. ‘Wenn ihr seid in London, ruft mich an, ok?’
    ‘Danke,’ sagt Heiko, ‘das ist echt nett von euch. Aber ich glaube, Rosa hat schon etwas gebucht, oder?’
    Rosa guckt Britta an. ‘Nee, habe ich nicht.’
    Brittas Blick wird immer verzweifelter. Da Rosa kein Mitleid zeigt und Heiko vor Wodka-Vernebelung nicht so schnell mit einer neuen Ausrede zur Stelle ist, erbarme ich mich und sage,
    ‘Ich denke, wir suchen uns lieber erst mal ein Hotel, denn wir haben auch so viel Gepäck. Wir werden uns dann bei euch melden und auf einen Kaffee vorbei kommen.’
    Diese Lösung ist wohl die Eleganteste und auch die, welche Piotrek in seinem Angebot von Gastfreundschaft nicht verletzt.
    Heiko steckt die Telefonnummer ein, wir verabschieden uns mit Umarmungen und Beteuerungen, dass dies wohl die lustigste Fährüberfahrt seit langem war und gehen zu Harrys Auto.

Alle Zimmer sind voll
     
    Es ist später Nachmittag, als Britta, die Nüchternste in unserem Quartett, den Wagen durch die südlichen Außenbezirke Londons lenkt. Es sieht trostlos und ärmlich aus, die Jahreszeit hilft nicht. Rosa versucht ihr vom Beifahrersitz aus Anweisungen zu geben, wie sie nach Earls Court findet, aber ob aufgrund des Wodkas auf der Fähre oder aber eines allgemein schlecht ausgebildeten Orientierungssinnes, brauchen wir eine halbe Ewigkeit, bis wir da ankommen.
    Wir könnten uns wohl in Folge unseres unerwarteten Reichtums ein richtig gutes Hotel leisten, aber erstens wollen wir kein Aufsehen erregen, und zweitens wissen wir nicht, wie lange das Geld reichen muss, demnach ist es ratsam, vorsichtig damit umzugehen.
    Zudem haben wir noch ein anderes Problem: wir können nur US $10.000 pro Person in bar mit uns auf den Flug nehmen. Heiko kennt aber einen Kollegen, der hier in London bei der Deutschen Bank arbeitet. Der soll uns helfen, eine Art Nummernkonto einzurichten, wo wir unser Geld parken können, so dass wir nicht am Flughafen hopsgenommen werden. Wenn wir dann erstmal in den USA sind, werden wir das Geld dorthin transferieren.
    Laut Heiko ist London das Mekka aller Wirtschaftskriminellen – das Waschen von Geldern dubioser Herkunft ist in dem Morast von ruchlosen Machenschaften in der City, die den britischen Staat Milliarden in Subventionen für Banken am Rande des Bankrotts gekostet hat, wohl noch eine der harmloseren Praktiken. Demnach sollte es kein Problem sein, die circa 100.000 Euros, die uns nach Abzug dessen, was wir bar mitnehmen können und für die Flugtickets brauchen, hier zu waschen. Wenn unser Geld dann einmal organisiert ist, werden wir uns auf den Weg nach New York machen und die Suche nach Tony McKay kann beginnen. Soweit der Plan und soweit so gut.
    Als wir in Earls Court angekommen sind und den Wagen in einer Seitenstrasse geparkt haben, springt Rosa heraus, um uns eine Unterkunft zu organisieren. Britta stiefelt mit, um Kaffee zu besorgen. Heiko und ich bleiben im Wagen zurück.
    ‘Wehe, du kommst mit Du-weißt-schon-was zurück!’ schreit Rosa ihr hinterher, als sie in Richtung einer schäbig aussehenden Pension abbiegt. Britta ruft etwas Unverständliches zurück.
    ‘Bist du ok?’ frage ich Heiko.
    Er zuckt die Schultern. ‘Nicht wirklich, oder?’ antwortet er und guckt mich an.
    ‘Bis vor ein paar Tagen hatte ich ein ganz normales Leben, nicht besonders aufregend vielleicht, aber alles überschaubar, voraussehbar, normal. Beruhigend. Ich konnte mich darauf verlassen, dass alles in seinen Bahnen verlief. Und jetzt? Jetzt habe ich meinen Arbeitgeber beraubt, in Bank-Computer gehackt, Beweise gefälscht, um meinen Vorgesetzten in ein Verbrechen zu verstricken, das er nicht begangen hat, sitze in einem geklauten Auto in London und weiß nicht, wo ich heute Nacht schlafen werde. Lass’ mal überlegen, nee, genau genommen bin ich nicht ok.’
    Er guckt aus dem Autofenster in das düstere Londoner Februargrau. Ich krame in entlegenen Winkeln meines Gehirns nach ein paar klugen und trostreichen

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