Auf der Suche nach Tony McKay
hässlichen Neubau aus den Siebzigern ein Übriges. Letztere beide Umstände, so wurde gemunkelt, waren nicht komplette Zufälle, sondern wahrscheinlich dem labilen psychischen Zustand des arg vom Lause gebeutelten Hausmeisters zuzuschreiben.
Der Lause selber verkraftete die ihm aufgezwungene Untätigkeit nur schlecht, und wurde kurz danach in das Kultusministerium versetzt. Wenn er sich im Geiste dort wohl zu Hause gefühlt haben mochte, so entnervte ihn, Gerüchten zufolge, die Nichtstuerei der höheren Beamten derart, dass er einer Depression anheim fiel und sich kurz danach das Leben nahm.
‘Ähnliche Situation hier, Verkettung einer Reihe unglücklicher Umstände. Mit anderen Worten, London ist voll, nichts zu machen, nirgendwo ein Hotelzimmer zu kriegen. Weder rund um Earls Court noch im Savoy, habe alles versucht.’
‘Wie kann das angehen, hier gibt’s doch an jeder Ecke ein Hotel?’ wundere ich mich.
‘Erstens geben die Rolling Stones gerade ihr 43.Abschiedskonzert in der Wembley Arena. Zweitens findet die 5.weltweite Versammlung aller Rothaarigen statt. Drittens 25.Kongress aller Elvis-Imitatoren.’
Wie zur Bestätigung treten in diesem Augenblick zwei japanische Elvisse, komplett in engem weißen Glitzer-Overall und Wampe, aus dem Haus vor dem wir geparkt haben. Während der eine sich seine Tolle nach hinten streicht, übt der andere zweimal seinen Hüftschwung, dann bummeln die beiden Richtung South Kensington davon.
‘Da ist nichts zu kriegen für die nächsten drei Tage. Der Typ in der Absteige hat mir angeboten, dass wir für zehn Pfund pro Person pro Nacht in seinem Auto schlafen können.’
‘Na super,’ sage ich, ‘aber ein Auto haben wir ja nun selber.’
Da erscheint Britta, eine Art Eierkarton mit vier Pappbechern Kaffee darin in der Hand, Gottseidank von einer uns unbekannten Kaffeehauskette. Als sie die Becher verteilt sagt sie zu Rosa,
‘Hätte ich auch bei Du-weißt-schon-wem kaufen können, aber ich wollte mir und uns allen das Theater ersparen.’
Rosa grinst vor sich hin. Dann zieht sie ein Notizbuch aus ihrer Tasche, blättert darin herum und macht eine Eintragung. Ich gucke sie fragend an.
‘Jedesmal, wenn ich jemanden positiv beeinflusse, also Bewusstsein verändert habe, notiere ich mir das.’
Ich luge ihr über die Schulter. Der letzte Eintrag vor dem heutigen datiert von vor fünf Jahren. Bewundernswert, dass sie bei so viel Erfolglosigkeit noch weitermacht.
‘Also was ist jetzt, hast du ein Zimmer gefunden?’ fragt Britta. Wir bringen sie auf den neusten Stand.
‘Und was nun?’
‘Heiko, hast du noch die Telefonnummer von den Polen?’ fragt Rosa.
Heiko zieht den Zettel aus der Tasche.
‘Nee, echt nicht, da komm’ ich nicht mit. Der Typ hat mich auf der Fähre dermaßen genervt, das hat mir jetzt zu meinem Glück gerade noch gefehlt mit dem unter einem Dach schlafen zu müssen.’
‘Wenn’s nach ihm ginge, wäre es wohl mehr unter einer Decke,’ sagt Rosa grinsend.
Britta guckt sie wütend an. ‘Wie hättest du dich gefühlt, wenn der dich die ganze Zeit voll gelabert hätte?’
‘Erinnerst du dich, wo ich arbeite? Das ist bei mir Teil der Arbeitsplatzbeschreibung.’
Also bei Staszek und Piotrek auf dem Sofa ist nicht, Britta streikt. Was bedeutet, dass wir Harrys alten Mercedes vorübergehend zum Wohnmobil umfunktionieren müssen.
Die Gegend um Earls Court bietet Reisenden mit wenig Geld zwar unter normalen Umständen die Möglichkeit, günstig ein Bett für die Nacht zu finden, ist aber ansonsten recht finster und als Campingplatz wenig einladend. Die Vororte durch die wir gefahren sind, waren auch nicht viel besser.
‘Wie wär’s, wenn wir nach Wimbledon fahren und das Auto da abstellen?’ fragt Britta, ‘da soll’s doch ganz schön sein, sieht im Fernsehen zumindest immer recht nett aus.’
‘Findest du den Weg dahin?’ frage ich Rosa.
Boris Becker?
Als wir nach einer halben Ewigkeit und häufigem Verfahren schließlich in Wimbledon am Tennisclub vorbeifahren, ist es stockdüster und geht auf elf Uhr abends zu. Wenn es hier auch nicht so nebelig ist wie bei uns, so regnet es doch ununterbrochen seitdem wir angekommen sind. Rosa lenkt das Auto durch die Straßen und stoppt irgendwann direkt an einer großen parkähnlichen Fläche. Wir steigen aus, um uns noch ein bisschen die Beine zu vertreten und frische Luft zu schnappen, bevor wir uns schlafen legen.
Wir gehen ein Stückchen in Richtung des Waldes, doch ist es
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