Auf die feine Art
Beweis genug. Sie hat immer gesagt, sie würde nicht alt. Meiner Meinung nach richten die Hänninens ihre Aggressionen gegen sich selbst, nicht gegen andere. Deshalb kann ich auch nicht glauben, dass Kimmo Armi umgebracht haben soll.«
Antti war jetzt viel entspannter. Ich streichelte sanft seinen Rücken und wagte mich an die nächste Frage.
»Wer denn dann? Wie es aussieht, hat sie ihren Mörder gekannt. Es sei denn, sie hätte die Saftgläser für sich und mich hingestellt, aber wir wollten doch nähen, da wären wir nicht in den Garten gegangen.«
»Soll ich jetzt vielleicht meine eigenen Verwandten verdächtigen?« Antti riss sich los und sprang auf. »Verflucht und zugenäht, ich halt das kein zweites Mal aus! Wenn ich nicht die ganze Zeit in deiner Nähe gewesen wäre, würdest du auch mich noch verdächtigen. Du kannst die Juristin spielen, so viel du willst, im tiefsten Innern bist du doch immer dieselbe verdammte Scheißpolizistin!«
Antti rannte wieder mal die Treppen zu seinem Kellerraum hinunter. Ich starrte ihm einen Moment sprachlos nach, dann kamen die Tränen, auf die ich den ganzen Tag gewartet hatte. Ich weinte über Armi und Kimmo, auch über Sanna, vor allem aber über Antti und mich. Das konnte nichts werden mit uns. Am besten suchte ich mir gleich eine neue Wohnung.
Ich trank einen dreifachen Whisky, aß eine Banane, spülte die verheulten Augen aus und versuchte zu schlafen. Antti hockte in seinem Arbeitszimmer, aus dem das leise Surren des Computers tönte. Heute Nacht würde er wohl nicht zu mir ins Bett kommen.
Trotz Whisky, Fußwanderung und dreimal wiederholten Entspannungsübungen schlief ich erst um zwei Uhr ein.
Vier
Armi und Sanna
Der Wecker klingelte um halb neun. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich die ersten Blüten von den Traubenkirschbäumen fallen. Ich schleppte mich zur Kaffeemaschine und von da zur Toilette, wo ich entsetzt feststellte, wie verquollen meine Augen waren. Die Zeit reichte nicht mal, um Teebeutel aufzulegen.
Dank Kaffee und Make-up war ich nach einer Weile halbwegs erträglich anzusehen. Nach kurzem Überlegen hinterließ ich Antti nur eine knappe Nachricht: »Ich bin den größten Teil des Tages unterwegs. Können wir heute Abend versuchen, miteinander zu reden?«
Die Fahrt nach Nihtisilta nahm nur zwanzig Minuten in Anspruch, obwohl ich ganz gemächlich radelte. Auf dem Polizeipräsidium herrschte Totenstille, weder Pertsa noch Eki ließen sich blicken. Als sich bis zehn nach zehn noch nichts getan hatte, fragte ich beim Dienst habenden Beamten nach.
»Ja, also … der Ström hat angerufen. Er musste nach Kirkkonummi zu ’ner Messerstecherei, die Vernehmung ist erst heute Abend.«
Der tölpelhaft aussehende, picklige junge Mann schien einem der Polizistenwitze entstiegen zu sein, in denen gefragt wird, welcher der beiden Beamten lesen und welcher schreiben kann. Der Partner dieses speziellen Polizisten musste vermutlich beides beherrschen.
Als ich ihn gerade dazu bewogen hatte, mir die Nummer von Pertsas Autotelefon zu verraten und mich vom Anschluss des Präsidiums telefonieren zu lassen, kam Eki hereingestürmt.
»Tut sich hier noch gar nichts?«, polterte er. Der Penner, der sich auf einer Bank im Wartezimmer niedergelassen hatte, fuhr jäh aus seinem Schlummer auf. Ich rief Pertsa an, der meinte, vor sieben Uhr abends würde er es wohl nicht schaffen. Als ich ihn um Erlaubnis bat, vorher mit Kimmo sprechen zu dürfen, versuchte er sich quer zu stellen. Wir stritten uns über die verzwickten Formulierungen im Gesetz über das Vorverfahren, bis er schließlich nachgab. Aber nur einer von uns beiden durfte zu Kimmo, Eki oder ich.
»Hmmm, wer vertritt Kimmo nun eigentlich«, überlegte Eki, als ich ihm erklärte, worum es ging. »Vielleicht ist es besser, wenn du das übernimmst, Maria. Als Rechtsbeistand. Da kriegst du gleich ein bisschen Übung. Außerdem hast du mit Vernehmungen wahrscheinlich mehr Erfahrung als ich. Wenn wir vor Gericht müssen, sehen wir weiter.«
»Können wir uns zusammensetzen, wenn ich mit Kimmo geredet habe, und unsere Strategie besprechen? Ich komm dann ins Büro.«
Eki zog sein Handy aus der Tasche, ich ging zum Diensthabenden und bat darum, mit Kimmo sprechen zu können. Der junge Mann kratzte sich eine Weile am pickligen Kinn, bevor er zögernd erklärte:
»Ich glaub, der Hänninen schläft … Wir mussten früh um fünf den Arzt zu ihm schicken, weil er pausenlos geschrien hat. Da hat er dann ’ne
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