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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Polizei schon alles gesagt, und meines Wissens bist du keine Polizistin!«
    »Hör mal, Mallu, könnten wir uns trotzdem treffen?« Natürlich hatte sie Recht: Ich hatte keinerlei Befugnis, sie zu vernehmen.
    Am Mittwoch war ich völlig verkatert gewesen, hatte mit Müh und Not Routinearbeiten bewältigt und war am Abend beim Eisessen vor dem Fernseher eingeschlafen. Den Donnerstagmorgen hatte ich dann mit dem grandiosen Gefühl begonnen, das jeder kennt, der schon mal einen Hangover überstanden hat.
    Schließlich konnte ich Mallu überreden, am Nachmittag in die Kanzlei zu kommen. Ich radelte ins Zentrum von Tapiola, um mir etwas zum Mittagessen zu holen, bevor der nächste Klient kam.
    »Na, wie geht’s dem Stahlross? Keine Beschwerden?« Make stand rauchend vor seinem Geschäft. Ich zuckte zusammen. Sollte das eine ironische Bemerkung sein – oder eine Warnung?
    »Wie meinst du das? Hast du was damit zu tun?« Ich zeigte ihm die abgerissenen Bremsseile, die Antti und ich notdürftig geflickt hatten.
    »Ist dir was passiert?« Make wirkte ehrlich überrascht.
    »Nichts weiter, nur die Lenkstange hat sich gelöst, auf dem Uferweg in Toppelund, und ich bin ins Meer geflogen. Sieht so aus, als hätte jemand nachgeholfen.«
    »Da haben sich bestimmt irgendwelche Halbstarken einen Spaß erlaubt.«
    »Mag sein. Sag mal, wie lange warst du eigentlich mit Sanna befreundet?«
    Der abrupte Themenwechsel schien Make zu befremden, er sah mich verblüfft an. »Na ja, nicht sehr lange … Sanna ist … im März … gestorben. Wir hatten uns kurz vor Weihnachten in der Kneipe da drüben kennen gelernt.« Er gab sich vergeblich Mühe, locker zu wirken.
    »Drei Monate … das ist wirklich nicht viel. Trotzdem scheinst du immer noch um Sanna zu trauern.«
    Make trat seine Kippe aus. »Du begreifst nicht, wie das ist, wenn deine Liebe nicht ausreicht. Wenn der Mensch, den du am liebsten hast, sich trotz deiner Liebe umbringt. Und du stehst daneben und kannst ihn nicht daran hindern.«
    »Keiner kann einen anderen erlösen! Jeder muss sich selbst retten«, sagte ich im besten Predigerton.
    »Sanna war eine tolle Frau … Sie war viel klüger als ich, redete dauernd über Literatur und Philosophie. Vielleicht war sie zu klug für diese Welt«, setzte Make niedergeschlagen hinzu.
    »Was weißt du von ihren früheren Freunden? Mit wem war sie vor dir zusammen?«
    »Mit so ’nem Arschloch, der sie verprügelt hat. Der war gerade wegen Drogen in den Knast gewandert. Hakanen oder Hakala …«
    »Ode Hakala?«
    »Ja genau, so hieß er. Sanna hat mir mal Fotos gezeigt, das war so ein Schwarzhaariger, sah ziemlich böse aus. Sanna hat ihn ein paar Mal besucht, ich war ein bisschen eifersüchtig. Aber wieso fragst du die ganze Zeit nach Sanna?«
    »Sie interessiert mich eben. Und es tut mir Leid, dass ich so wenig Kontakt mit ihr gehalten hab. Vielleicht fühl ich mich auch ein bisschen schuldig, so wie du.«
    Makes Gesicht hellte sich auf.
    »Jetzt versteh ich … dich hat sie gemeint, als sie von dem einzigen Mädchen aus ihrer Bergwerksstadt erzählt hat, mit dem sie halbwegs auf einer Wellenlänge lag. Irgendwie seid ihr euch ähnlich. Vielleicht hab ich gerade deshalb …«
    »Was hast du gerade deshalb?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort erriet.
    »Na ja, es … wäre schön, wenn du ungebunden wärst«, stammelte Make, errötete und verzog sich in seinen Laden.
    Im Zentrum von Tapiola wimmelte es von Menschen. Schüler kauften Sommersachen, Familien deckten sich für die Ferien ein, die am Wochenende begannen, die Buchhandlung pries Krimis als Sommerlektüre und Prachtbände als Abiturgeschenk an. Ich war daran gewöhnt, nie im Sommer Urlaub zu machen, diese Geschäftigkeit kam mir befremdlich vor. Meine Eltern dagegen warteten sehnsüchtig auf das Ende des Schuljahrs. An einem der nächsten Wochenenden würde ich mich wohl zu einem Besuch in meiner alten Heimatstadt aufraffen müssen, spätestens wenn meine Schwester, die im Nachbarort wohnte, ihr erstes Kind zur Welt brachte. Ich wurde Tante, was für eine Vorstellung! Aber wie mochte es erst sein, Mutter zu werden, einen anderen Menschen in sich zu tragen, seine Tritte zu spüren, die Bewegungen eines fremden Wesens im eigenen Körper zu spüren? Was für ein Gefühl war es, zu gebären?
    Ich überholte eine Frau mit Kinderwagen. Ihr Einjähriges rief in einem fort »Mama« und »Kacka« und unterstrich seine Worte, indem es sein Schäufelchen auf den Sicherheitsbügel haute.

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