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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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ans Regal und merkte sofort, dass es Sannas Akte war, die Eki gerade herausgezogen hatte. Warum hatte Eki Unterlagen herausgenommen? Ich ärgerte mich, nicht fünf Minuten früher ins Archiv gegangen zu sein. Noch verdrossener wurde ich, als ich mich im Spiegel sah: Meine Garderobe war wieder mal waschreif.
    Als ich am Abend nach Haukilahti fuhr, war ich immer noch schlecht gelaunt. Zu Hause hatte ich eine Nachricht von meiner Mutter vorgefunden, ich möge sie zurückrufen, und nachdem ich mir eine Viertelstunde lang ihr Gejammer – »Wann kommst du uns denn endlich besuchen« und »Ich bin ja so nervös wegen Eevas Schwangerschaft« – angehört hatte, rief auch noch meine jüngste Schwester Helena an.
    »Das Haus, in dem du mit Antti wohnst, ist doch ziemlich groß, oder?«, fragte sie als Erstes. Als ich bejahte, ließ sie mich wissen, sie selbst, Eeva und meine beiden Schwäger bräuchten von Montag auf Dienstag ein Nachtquartier. Sie würden alle vier an einer Kreuzfahrt nach Stockholm teilnehmen, und es wäre doch nett, mich mal wieder zu sehen …
    Ich konnte nicht gut nein sagen, obwohl ich mich schon vor Wochen mit ein paar Kommilitoninnen für Montag ins Kino verabredet hatte. Musste ich eben absagen. Ich war neugierig auf Eevas dicken Bauch, trotzdem ging es mir gegen den Strich, dass meine Angehörigen mich nur besuchten, wenn sie in Helsinki übernachten wollten, um am nächsten Morgen bequem ihr Schiff oder Flugzeug zu erreichen. Wenn sie mich sonst anriefen, ging es meistens darum, irgendein Sonderangebot bei Stockmann zu besorgen, das in der überregionalen Zeitung angepriesen wurde.
    Eine Reise nach Stockholm in Gesellschaft meiner Schwestern und ihrer langweiligen Männer wäre eine einzige Qual, und doch ärgerte ich mich auch darüber, dass sie nicht einmal gefragt hatten, ob Antti und ich mitkommen wollten. Eeva und Helena hatten immer schon eine engere Beziehung zueinander gehabt als zu mir. Sie waren nur gut ein Jahr auseinander, während ich immerhin mehr als zwei Jahre älter war als Eeva. Mutter hatte nach Helenas Geburt sicher ganz schön rotiert, mit zwei Wickelkindern und einem im schlimmsten Trotzalter. Zu allem Unglück waren alle Mädchen. Ich als Älteste und Wildeste hatte praktisch die Rolle des Jungen übernommen, und die spielte ich im Grunde immer noch. Ich wohnte Hunderte von Kilometern entfernt, traf meine Eltern und Geschwister nur selten, gab kaum etwas von mir preis. Ich hatte das Gefühl, dass keiner von ihnen mich wirklich kannte. Aber kannte ich sie? Wusste ich zum Beispiel, wie Eeva über ihre Schwangerschaft dachte?
    Vielleicht war ich unfähig zu engen Beziehungen. Selbst Antti ging auf Abstand. Er war aus seinem Arbeitszimmer gekommen und hatte erklärt, er fahre morgen mit dem ersten Bus nach Inkoo, weil er in Ruhe durch die Wälder wandern wolle.
    »Ich nehm das Zelt mit und übernachte auf einer Insel.«
    »Ach so. Ich hatte gedacht, wir könnten morgen Abend tanzen gehen, nachdem wir voriges Wochenende vor lauter Arbeit nicht dazu gekommen sind.«
    Daraufhin hatte Antti vorgeschlagen, ich sollte am Samstag nach Inkoo kommen, dann könnten wir eine Nacht gemeinsam zelten. Einstein würde so lange allein zurechtkommen, meinte er. Aus purer Neugier stimmte ich zu. Es war lange her, seit ich zum letzten Mal in freier Natur übernachtet hatte. Aber obwohl wir uns von Anfang an einig gewesen waren, uns gegenseitig an nichts zu hindern, ärgerte ich mich über Anttis Art, mich vor vollendete Tatsachen zu stellen – »Ich mach das jetzt so, tu du, was du willst«.
    Meine Laune besserte sich keineswegs, als ein Köter, der aussah wie ein zu heiß gewaschener Topflappen, wie wild auf dem Fahrradweg herumrannte. Er war angeleint, an einer langen, aufspulbaren Leine, die sich jetzt quer über den ganzen Weg spannte. Wütend betätigte ich die Fahrradklingel. Als der Hundehalter sich zu mir umdrehte, erkannte ich in ihm Dr. Hellström, Armis Chef. Als ich ihn vor ein paar Tagen besucht hatte, war von einem Hund nichts zu sehen gewesen.
    »Ach, das Fräulein Kallio, guten Tag.« Hellström war offenbar in Plauderstimmung. »Kimmo Hänninen ist nun also verhaftet worden?« Er steckte sich eine Zigarette an und bemühte sich vergebens, den Hund in Schach zu halten, der eine hoch über ihm im Baum hockende Krähe ankläffte. Die Krähe schimpfte ihrerseits und ließ trockene Fichtennadeln auf uns herabregnen. Der Hund zerrte an der Leine. »Ich bin dem Viech nicht gewachsen,

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