Auf die feine Art
haben. Sind die vielleicht von Nutzen für dich? Sie zeigen nämlich Frauen, die Männer unterwerfen.«
»Vielleicht kann ich was damit anfangen. Schick sie mir zu.«
»Hast du keine Zeit, sie abzuholen?«
»Anfang nächster Woche jedenfalls nicht.« Ich fragte mich, warum ich eine Begegnung mit Engel vermeiden wollte. Fürchtete ich mich etwa vor ihr?
»Dein Freund von der Polizei hat Joke gelöchert, seit wann du schon zum Klub gehörst, und wollte absolut nicht glauben, dass du kein Mitglied bist. Er hat immer wieder nachgebohrt, ob du Sadistin oder Masochistin bist, worauf Joke geantwortet hat, zu seinem Bedauern hätte er das noch nicht feststellen können …«
Wieder redete sie in diesem belustigten Ton, der mich auf die Palme brachte.
»Wie würdest du mich denn einschätzen?«, hörte ich mich plötzlich fragen.
»Ich weiß nicht. Gefährlich bist du so oder so. Gibt es in Kimmos Fall was Neues?«
Ich war beinahe enttäuscht über den Themenwechsel und konnte mich nach dem Gespräch nur mit Mühe wieder auf Sannas Unterlagen konzentrieren. Immerhin hatte ich gerade zum ersten Mal in meinem Leben mit einer Frau geflirtet. Zwar hatten mir schon viele an den Kopf geworfen, eine Lesbe zu sein, aber das bekamen vermutlich alle Polizistinnen zu hören, und ich hatte mir nie etwas daraus gemacht. Für mich war »Lesbe« kein Schimpfwort. Doch Engels offenkundiges Interesse war irritierend und zugleich schmeichelhaft.
Einstein tapste ins Wohnzimmer und begann sich zu putzen. Er fing am Kopf an: Zuerst die linke Pfote angefeuchtet, das Gesicht abgewischt, wieder die Pfote angefeuchtet, dann waren die Ohren an der Reihe … Ich nahm mir vor, so systematisch zu sein wie die Katze, und vertiefte mich wieder in Sannas Papiere.
Referate, Zettelchen, Mitschriften von Vorlesungen … Fast alle Unterlagen hatten mit ihrem Studium zu tun. Fotos. Sanna und Annamari im Partnerlook, Sanna in der Reitstunde, Sanna und Kimmo beim Karussellfahren. Dann ein Familienporträt: Kimmo als Baby auf Annamaris Schoß, Risto, damals von Pickeln entstellt, mit der zweijährigen Sanna auf dem Arm, Henrik Hänninen hinter seiner Frau, ein dunkler Schatten. Was für eine seltsame Familie! Henriks erste Frau, Ristos Mutter, war an Krebs gestorben. Annamari wetteiferte mit Marjatta Sarkela darum, Matti und Mikko zu verwöhnen, dabei war sie gar nicht die biologische Großmutter der Zwillinge. War das überhaupt von Bedeutung, konnte man ein Kind nur lieben, wenn man seine eigenen Züge in ihm sah, wenn es von eigenem Fleisch und Blut war?
Der interessanteste Fund war ein unvollendeter Brief an Kimmo; Sanna hatte ihn vor einigen Jahren geschrieben, als ihr Bruder bei der Armee war. Warum hatte sie ihn aufgehoben?
»Vielleicht hast du Recht, wenn du sagst, ich soll mich von Ode trennen. Noch bin ich, glaube ich, nicht drogen- oder tablettensüchtig, aber viel fehlt nicht mehr, das hast du mir bei deinem letzten Urlaub zu Recht an den Kopf geworfen. Allerdings habe ich Angst vor Ode. Danke für dein Hilfsangebot, aber wenn er auf die Idee kommt, mich umzubringen, wirst du ihn nicht davon abhalten können, und Risto auch nicht. Sicher gibt es auch anständige Männer. Du schlägst Armi ja auch nicht.
Vielleicht sollte ich wirklich zum Psychiater gehen, wie Henttonen vorschlägt. Manchmal frage ich mich, was er eigentlich von mir will. Wahrscheinlich liegst du auch in diesem Punkt richtig, er macht sich nur Sorgen um mich.
Was Vater angeht, hast du auf jeden Fall völlig Recht. Er empfindet nichts für uns, für keinen. Ich überlege manchmal, wie Leila, Ristos Mutter, gewesen sein mag, denn Risto ist ja ganz und gar wie Vater, während wir beide nach unserer Mutter gekommen sind. Du kannst froh sein, dass du keinen Vaterkomplex hast wie ich. Vielleicht suchen wir beide, du und ich, den Schmerz, weil wir nur so Liebe zu verdienen glauben. Aber ist es wirklich so einfach? Ist es etwa richtig, wegen Armi einen Teil deiner Sexualität zu verleugnen?«
Ein paar Wochen nachdem Sanna diesen Brief angefangen hatte, waren Ode und sie festgenommen worden. Die zweite Anklage wegen Trunkenheit am Steuer war ein Jahr zuvor erhoben worden. Offensichtlich hatten Eki und Sanna auch zwischen diesen beiden Fällen miteinander zu tun gehabt. In Tapiola kannten sich eben alle. Vielleicht hatte Sanna Eki nur um Rat gefragt, wie sie sich gegenüber Ode Hakala verhalten sollte. Oder steckte etwas anderes dahinter? Was versuchte Eki mir zu
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