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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Armi ohnehin kennen gelernt und sie hätte mit mir geredet, egal, ob ich in Ekis Kanzlei arbeitete oder nicht.
    Ich hob den Totenkopf auf, von dem Einstein endlich abgelassen hatte. Was mochte die Katze wohl erschnüffelt haben? Haftete dem Schädel noch der Geruch des Menschen an, zu dessen Körper er einmal gehört hatte? Oder roch er nach Sanna? Warum hatte sie ihn auf ihrem Schreibtisch liegen gehabt? Hatte sie wie Hamlet zwischen Sein und Nichtsein geschwankt? Die Entscheidung hatte ein anderer für sie getroffen, für sie und für Armi.
    Sanna und Armi. Zwei ganz verschiedene Frauen, mager und dunkel die eine, blond und mollig die andere. Armi in ihrer fast unerträglichen Anständigkeit hatte eine einzige Schwäche: ihre krankhafte Neugier, gepaart mit dem Drang, zu nutzen, was sie in Erfahrung brachte. Sanna und Armi hatten sich offenbar nicht gemocht. Welche Ironie des Schicksals, dass Armi wegen Sanna ermordet worden war. Aber von wem? Von Eki?
    Es war schon nach zehn, und da mein Bus nach Inkoo um sieben Uhr früh abfuhr, wurde es Zeit, ins Bett zu gehen. Allerdings nicht ohne einen Schlaftrunk. Ich knipste im Wohnzimmer das Licht aus und bewunderte eine Weile den Sonnenuntergang, der das Meer und die vereinzelten Wolken rötlich färbte. Bis Mittsommer waren es noch gut zwei Wochen, die Nächte wurden immer heller. Im Dämmerlicht ging ich in die Küche und wollte gerade Licht machen, als ich ein Geräusch an der Haustür wahrnahm.
    Jetzt funktionierten meine professionellen Reflexe: Ich blieb reglos stehen und tastete nach einem Stuhl, mit dem ich mich zur Wehr setzen konnte. Ich hörte jemanden aufschließen und ins Haus kommen. Leise schlich ich zum Messerblock, nahm das Filiermesser heraus und stellte den Stuhl ab.
    Es konnte auch Antti sein, der aus irgendeinem Grund vorzeitig aus Inkoo zurückgekommen war, doch die Angst ließ mich nicht mehr los. Für Eki wäre es ein Leichtes gewesen, meine Schlüssel zu entwenden, einen Zweitschlüssel anfertigen zu lassen und mir das Schlüsselbund wieder in die Tasche zu stecken. Und beim Verlassen der Kanzlei hatte ich auch noch zu Annikki gesagt, ich wäre heute Abend mit Einstein allein zu Haus. Hatte Eki uns belauscht?
    Schritte im Flur! Ich schlich zur Küchentür, wollte sehen, wer der Eindringling war. Mir zitterten die Hände, doch ich schwor mir, dass er mit mir nicht so leicht fertig würde wie mit Sanna und Armi. Gerade war ich auf dem Weg ins Wohnzimmer, da hörte ich das Klicken des Lichtschalters, dann eine Stimme:
    »Hallo, Einstein. Braves Kätzchen! Haben sie dich ganz allein hier gelassen?«
    Wahrhaftig, ich war die Königin der Hasenfüße! Kein heimtückischer Mörder lauerte mir auf – die Stimme gehörte Anttis Schwester Marita, die natürlich Schlüssel zu ihrem Elternhaus hatte. Ich öffnete die Wohnzimmertür absichtlich laut. Marita, die auf dem Boden hockte und die Katze streichelte, sprang erschrocken auf.
    »Wer … Ach, du bist es, Maria! Das Haus war dunkel, da dachte ich, du wärst mit Antti nach Inkoo gefahren. Hast du mir einen Schreck eingejagt! Ich wollte mir Mutters blaue Seidenbluse borgen, weil auf meiner Flecken sind und ich morgen mindestens zu drei Abiturfeiern muss.«
    »Ja richtig, für dich und die Zwillinge fangen morgen die Ferien an. Du freust dich bestimmt schon drauf.«
    »Ich bringe Matti und Mikko am Sonntag nach Inkoo. Hoffentlich vergessen sie dort die Sache mit Armi und Kimmo. Sie sind alt genug, um zu begreifen, dass das keine Fernsehserie ist, sondern Wirklichkeit, dass Armi tot ist und Kimmo deshalb im Gefängnis sitzt. Es war schon schwer genug, ihnen Sannas Tod zu erklären, sie hatten nämlich immer gedacht, nur alte Menschen würden sterben«, seufzte Marita. Ihre großen knochigen Hände zupften nervös am Saum ihrer Bluse. »Und wenn ich im Zentrum von Tapiola unterwegs bin, hab ich immer das Gefühl, dass die Leute mich anstarren. Zum Glück komme ich eine Weile hier raus. Andererseits tut es mir Leid, Risto mit Annamari allein zu lassen, aber Henrik kommt wohl nächste Woche nach Hause. Wo ist denn die Bluse?«
    »Deine Mutter hat ihre Sachen in die Kleiderkammer geräumt, gehen wir mal nachsehen.« Wir fanden die Bluse, die mir viel zu weit vorkam.
    »Ist sie dir nicht zu groß?«
    »Moment, ich probier sie mal an.« Marita streifte die Seidenbluse über, ohne sie aufzuknöpfen. Ihr Sweatshirt behielt sie an. Als sie die Arme hob, lag über dem Hosenbund ein Streifen Haut frei. Ich glaubte in

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