Auf die feine Art
…«
Koivu wurde durch lautes Gebrüll im Billardsaal unterbrochen, gefolgt von Gepolter und aufgeregtem Stimmengewirr.
»Wir müssen die Polizei rufen, da drinnen fuchtelt einer mit dem Messer rum«, hörte ich eine Kellnerin zu ihrem Kollegen sagen.
Koivu und ich waren beim ersten Bier, also noch voll einsatzfähig. Koivu hielt dem Wirt seine Dienstmarke unter die Nase und riet ihm, vorsichtshalber einen Streifenwagen anzufordern. Im Billardsaal hatte sich in der Mitte eine freie Fläche gebildet, die Leute standen dicht gedrängt an der Wand, als wären sie Zuschauer bei einem Boxkampf. An einem der Billardtische lehnte ein Mann, den Oberkörper so weit zurückgebeugt, dass sein Hinterkopf die Platte berührte. Vor ihm stand ein großer, hässlicher Kerl, der sein Opfer niederdrückte und ihm ein bedrohlich funkelndes Klappmesser an den Hals hielt. Mit einer einzigen Handbewegung konnte er seinem Kumpan die Kehle aufschlitzen wie ein professioneller Abdecker. Die Männer hätten Brüder sein können, beide waren robust gebaut und hatten vom Bier gerötete Augen.
»Polizei. Leg das Messer weg«, sagte Koivu ruhig und bestimmt. Ich stand neben ihm, wachsam und gespannt wie ein Bär auf der Jagd, notfalls auch zum Angriff bereit.
»Das Schwein hat mich beim Billard beschissen!« Der Messerheld spuckte seinem reglosen Opfer ins Gesicht.
»Na schön, aber jetzt beruhige dich erst mal und leg das Messer weg.« Ich machte einige Schritte zur Seite und zwei nach vorn, bis ich sicher war, dass der Mann mich sehen konnte. Radaubrüder lassen sich meist leichter von einer Frau beruhigen als von einem Mann. Diesmal schien es jedoch nicht zu klappen. Der Kerl war ganz offensichtlich besoffen, und Betrunkene sind noch unberechenbarer als andere Leute, das hatte man uns jedenfalls auf der Polizeischule beigebracht.
»Kein Stück näher, oder ich schlitz dem Kerl die Kehle auf«, drohte der Mann. Unter die Spucke, die dem Opfer übers Gesicht lief, mischten sich Tränen und Schweiß.
Trotzdem machte ich noch einen Schritt nach vorn, streckte auffordernd die Hand aus und suchte Blickkontakt zum Angreifer. Dabei sah ich, wie Koivu sich hinter ihn schlich. Hatte er etwa einen Überraschungsangriff vor? Hoffentlich nicht, das Risiko, dass das Opfer und Koivu selbst dabei verletzt würden, war viel zu groß. Überredung war die beste Taktik.
»Alle Unbeteiligten raus hier!«, kommandierte ich. »Bedienung, lassen Sie das Lokal räumen!« Die Anwesenheit von Zuschauern stachelte den Messerhelden vermutlich auf; je weniger Menschen im Raum waren, desto geringer war sein Gesichtsverlust, wenn er aufgab.
Sicher war noch keine Minute vergangen, aber in der kurzen Zeit hatte ich schon überlegt, wie lange der Streifenwagen wohl brauchen würde und wie in aller Welt man beim Billard betrügen konnte. Ich hatte immer geglaubt, die Kugeln würden für alle sichtbar ins Loch gestoßen.
Die neugierigen Gaffer wollten natürlich nicht gehen. Warum auch, wenn man womöglich live erleben konnte, wie jemand abgemurkst wurde. Ich hörte jemanden murmeln, das wäre ja wie im Kino. Vielleicht meinten die Leute, das Opfer hätte Ketchup in den Adern.
Ich war bereits ziemlich nah an den Messerstecher herangekommen. Jetzt ging ich langsam ans andere Ende des Billardtischs. Ich wollte die volle Aufmerksamkeit des Angreifers auf mich lenken, damit Koivu sich besser anschleichen konnte. Für einen großen, muskelbepackten Mann bewegte er sich erstaunlich lautlos, er erinnerte jetzt eher an eine Katze als an einen Teddybären.
»Scheiße, biste etwa bei den Bullen, Mädel?« Der Messerheld sah mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht. »Haste ’ne Knarre, willste mich erschießen?« Seine Stimme schwankte.
»Wenn du das Messer schön auf den Tisch legst und deinen Kumpel loslässt, passiert dir gar nichts«, versicherte ich und starrte ihm in die Augen wie ein Schlangenbeschwörer seinem Reptil. Koivu stand bereit, den Mann von hinten zu überwältigen, sobald er das Messer hinlegte.
Der Messerheld starrte mich eine Weile an, bewegte plötzlich den Arm, und dann steckte das Messer, zwanzig Zentimeter von mir entfernt, in der grünen Bespannung. Die Kapitulation schien ihm gegen den Stolz zu gehen. Ich schnappte mir das Messer. Im gleichen Moment warf sich Koivu auf den Mann und begrub ihn unter sich. Nachdem ich das Messer sichergestellt hatte, eilte ich Koivu zu Hilfe. Wir hatten weder Handschellen noch sonstige Requisiten dabei, aber gemeinsam
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