Auf die feine Art
wohl längst verlernt, Gleichaltrige zu siezen.
»Blonde Haare und … Ich könnte schwören, dass die Person am Steuer genau dasselbe rote Halstuch trug, das Armi immer anhatte. So ein großes wollenes, veilchenrotes Schultertuch, Armi hatte es aus Santorin mitgebracht und trug es immer im Winter. Deshalb hab ich das Tuch ja auch wieder erkannt, ich hatte noch nie ein zweites in der Art gesehen. Im Gedränge habe ich Armi oft gerade an ihrem Tuch erkannt.«
»Und du dachtest, Armi wäre euch in Hänninens Auto nachgefahren, um dir deine Schlüssel zu bringen, und hätte die Kontrolle über den Wagen verloren.«
Teemu fuhr mit dem Arm durch die Luft, als wollte er einen Tennisball ins Aus schlagen.
»So kann es nicht gewesen sein, das weiß ich. Armi hätte so etwas nicht getan. Sie hätte auf jeden Fall angehalten, selbst wenn es nicht um ihre Schwester gegangen wäre. Aber wie kann ich Mallu nur davon überzeugen?«
»Habt ihr euch deshalb scheiden lassen – weil du Mallu nicht überzeugen konntest?«
»Wir sind noch nicht geschieden, im Moment sind wir im Trennungsjahr! Ich will mich gar nicht scheiden lassen, ich will meine Frau zurückhaben!« Teemu starrte mich verloren an.
»Mallu hat mich rausgeworfen. Sie hat gesagt, sie will nicht mehr, kein Kind, keine Ehe, gar nichts. Sie braucht Hilfe. Ich würde ihr so gerne helfen, aber sie lässt mich nicht. Sie bildet sich alles Mögliche ein. Dass ich sie für wertlos halte, weil sie vielleicht keine Kinder kriegen kann. Dass ich ihr die Schuld an dem Unfall gebe. Ich kann mir den Mund fusslig reden, sie glaubt mir einfach nicht, dass das alles nicht stimmt.«
Wieder schwenkte er die Arme. Es war eine Gebärde verzweifelter Wut, als wollte er den Kokon zerreißen, in den Mallu sich zurückgezogen hatte.
»Und jetzt befürchtest du, Mallu könnte wegen ihrer Hirngespinste Armi umgebracht haben«, stellte ich fest.
»Ja. Das ist alles meine Schuld, warum hab ich meine Trugbilder nicht für mich behalten!«
Ich schaute Teemu an, das Inbild eines vor Gesundheit strotzenden dreißigjährigen Mannes, und dachte an Mallu, wie sie auf dem fröhlichen Weihnachtsfoto ausgesehen hatte. Die beiden hatten ein schönes Paar abgegeben, wie geschaffen für einen italienischen Fotoroman. Nur hatte ihre Geschichte wahrscheinlich kein Happyend.
»Hör zu, Teemu. Am besten setzt du dich selbst mit der Polizei in Verbindung und sagst, dass du gegen halb eins bei Armi warst. Für Kimmo ist das lebenswichtig, aufgrund deiner Aussage werden sie ihn freilassen müssen. Ruf diesen Ström hier an« – ich gab ihm Pertsas Nummer – »und sag ihm, du hättest eine wichtige Information über Armi. Wenn du möchtest, kann ich dich zur Vernehmung begleiten. Wann bist du in der Jousenkaari abgefahren, und wohin?«
»Ich hab mich ungefähr um Viertel vor eins auf den Weg zum Flughafen gemacht.«
»Viertel vor eins … Da bist du wahrscheinlich der Letzte, der Armi lebend gesehen hat – außer dem Mörder natürlich. Kann jemand deine Zeitangaben bestätigen?«
»Warte mal … Auf der Umgehungsstraße war ein Stau, wegen einem Unfall, daher war ich erst um zwei am Flughafen. Meine Freunde können das bestätigen, die waren ganz schön sauer, weil ich erst in letzter Minute auftauchte.«
Nachdem Teemu gegangen war, grübelte ich über seine Geschichte nach. Wie fest war er selbst davon überzeugt, Armi in dem Unglückswagen gesehen zu haben? Er wollte Mallu zurückgewinnen. Hatte er Armi für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich gemacht? War er fähig zu töten, wenn er in Rage geriet?
Armi hatte in den letzten Stunden vor ihrem Tod ziemlich viel Besuch bekommen. Um diese Besuche in die richtige Reihenfolge zu bringen, hätte ich zu gern die kleinen grauen Zellen eines gewissen belgischen Detektivs für mich arbeiten lassen. Kimmo behauptete, er hätte Armis Wohnung um Viertel nach zwölf verlassen, Kerttu Mannila mit ihren Piroggen hatte um eins vergeblich geklingelt, ich war um zwei gekommen. Außerdem waren mindestens Teemu und der Mörder bei Armi gewesen. Wie der bewundernswerte Monsieur Hercule Poirot es getan hätte, fasste ich die Ereignisse des tödlichen Samstags in einem ordentlichen Zeitplan zusammen.
12.15 Kimmo geht nach Hause
12.30 (ca.) Sari ruft Armi an
12.30-12.45 Teemu besucht Armi auf der Suche nach Mallu
13.00 Kerttu Mannila will Armi frisch gebackene Piroggen bringen und hört einen Streit
13.30 Mannila ruft an, Armi nimmt nicht ab
14.00 Maria
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