Auf die feine Art
Kommissar Ström hat zuvor verschiedene Aussagen protokolliert, aber keine kann als völlig zuverlässig gelten.«
»Wie bitte? Und wieso hat die Verteidigung nichts davon erfahren? Wir haben doch das Recht, über potenzielle Entlastungszeugen informiert zu werden!«
»Da ist Kommissar Ström in der Tat ein Fehler unterlaufen …«
»Das können Sie laut sagen! Ich will die Aussagen sehen, und zwar sofort!«
Mein wütendes Auftreten zahlte sich aus: Unter Pertsas Zeugen waren mindestens drei viel versprechende. Ein Ehepaar aus Haukilahti erinnerte sich, Kimmo um zwanzig nach zwölf in Suvisilta begegnet zu sein, während ein Hundebesitzer behauptete, er habe ihn um halb eins in Toppelund am Ufer gesehen. Die Zeitangaben kamen nicht ganz hin, aber meiner Meinung nach hätte Kimmo allein aufgrund dieser Aussagen auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Ich war verdammt wütend, weil Pertsa es nicht für nötig befunden hatte, diese Informationen an mich weiterzuleiten. Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft schien sich darüber zu wundern.
»Nur nicht den Kopf hängen lassen, bald kommst du hier raus«, tröstete ich Kimmo, als der Anklagevertreter gegangen war. »Ich rede mit den Zeugen. Außerdem habe ich eine Menge Material über andere Tatverdächtige. Einer von ihnen kann bestimmt bald festgenagelt werden.«
Ich hatte Kimmo mehrere Tage nicht gesehen, er wirkte noch deprimierter als zuvor.
»Vater kommt übermorgen nach Finnland«, sagte er. »Nächste Woche Donnerstag soll Armi beerdigt werden. Glaubst du, da kann ich hingehen?«
»Natürlich, in Polizeibegleitung könntest du sogar als Untersuchungshäftling an der Beerdigung teilnehmen, aber spätestens am Sonntag bist du frei«, redete ich auf ihn ein wie eine Mutter, die ihrem masernkranken Kind versichert, dass es bald wieder gesund ist.
»Glaubst du? Maria, wenn ich heil hier rauskomme, mach ich nie mehr S/M-Geschichten, das schwör ich dir!«
»Warum denn nicht? Wofür willst du dich damit bestrafen? Ach richtig, du bist ja Masochist«, witzelte ich.
»Ich weiß nicht, wie das Leben ohne Armi weitergehen soll«, schluchzte Kimmo.
Was hätte ich darauf antworten sollen? Es wird anders sein, aber es geht weiter? Oder irgendeinen anderen, ebenso banalen Spruch? Lieber wechselte ich das Thema und fragte Kimmo nach Sannas Männerbekanntschaften.
»Manchmal hat sie ihre Männer so oft gewechselt, dass ich gar nicht mehr nachkam.«
»Mit wem war Sanna im Winter vor ihrem Tod zusammen? Hat sie Hakala im Gefängnis besucht? Hatte sie zwischen Ode und Make einen Liebhaber, oder auch später, als sie schon mit Make ging?«
Kimmo dachte intensiv nach. »Hängt das mit dem zusammen, was Armi gesagt hat? Dass Sanna ermordet wurde? Weißt du, ich hab nachgedacht. Es kann vielleicht doch so gewesen sein. Du hast Sanna ja gekannt. Sie war so hitzköpfig, sie konnte manche Leute rasend machen. Ode zum Beispiel. Sanna hat ihn nur einmal im Gefängnis besucht. Sie wollte von ihm loskommen, schon seit langem. Deshalb hat sie wohl auch abgetrieben, obwohl sie oft gesagt hat, sie wollte Kinder. Aber nicht mit Ode. Den Make hat sie geliebt, mit dem wollte sie ein neues Leben anfangen.«
Es tat Kimmo offensichtlich gut, an etwas anderes zu denken als an seine eigene Situation. Seine Wangen röteten sich leicht.
»Nachdem Ode ins Gefängnis kam, hat sich Sanna ziemlich bald mit Make zusammengetan. Aber ich glaube, da lief eine Zeit lang noch was anderes nebenbei, ich weiß nur nicht, mit wem. Da war was faul, sonst hätte sie nicht so ein Geheimnis darum gemacht.«
»Lief was zwischen Sanna und Eki Henttonen?«
Kimmo sah mich entgeistert an. »Meinst du den Eki, bei dem du arbeitest? Nie im Leben! Der und Sanna … Das kann nicht sein …« Er schüttelte den Kopf.
»Na ja, wer weiß«, meinte er nach einer Weile. »Sanna hatte schon in der Schulzeit ältere Männer. Sie hat immer von ihrem Vaterkomplex gesprochen.«
Ich musste an Sannas Brief denken. Vaterkomplex? Seltsam, dass ich keinen hatte, mein Vater hatte mich ja auch nie akzeptiert. Oder war Sex mit älteren Männern nicht die einzige Form, in der sich ein Vaterkomplex äußern konnte?
»Eins noch. Bist du hundertprozentig sicher, dass Armi in der Nacht, als Mallu die Fehlgeburt hatte, nicht Auto gefahren ist?«
Ȇber die Nacht hab ich auch schon mindestens hundertmal nachgedacht. Teemu und ich hatten beide zu viel getrunken. Ich bin sofort abgesackt, nachdem die Laaksonens gegangen waren. Ich
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