Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
hatte mir den Wagen von meinem Vater geliehen, der stand auf dem Hof – lass mich ausreden –, der stand also auf dem Hof, aber warum hätte Armi damit wegfahren sollen, zumal sie auch ein paar Gläser Wein getrunken hatte?«
    »Aber theoretisch wäre es möglich gewesen …«
    »Theoretisch ja. Ich hab geschlafen wie ein Murmeltier. Aber Armi hätte so was nicht getan. Sie hasste betrunkene Fahrer. Sanna hat sie auch immer Predigten gehalten. Und wenn sie schon jemanden angefahren hätte, wäre es ihr nie eingefallen, ihn einfach liegen zu lassen. Immerhin war sie Krankenschwester.«
    »Schon gut, ich glaub’s ja. Was für ein Auto war das?«
    »Ein weißer Opel Astra.«
    Beim Abschied versprach ich Kimmo, ihn am nächsten Tag wieder zu besuchen, wenn nichts dazwischenkam. Auf dem Rückweg fing ich wieder an, Pertsa zu verfluchen. Sollte ich ihn wegen Dienstvergehens anzeigen? Hatte ich die Kraft dazu? Ich fühlte mich auf einmal wahnsinnig müde und beschloss, zur Erfrischung durch den Erholungspark Mankkaa nach Tapiola zu fahren. Am Waldrand blühten die letzten Buschwindröschen, Bachstelzen hüpften über den Fahrradweg, als wetteiferten sie darum, wer es wagte, am längsten vor dem nahenden Fahrrad sitzen zu bleiben. In Visamäki machte ich eine kleine Verschnaufpause und freundete mich mit einer Katze an, deren braunweiß gestreifter Schwanz einer Zuckerstange ähnelte. Ich teilte ein Täfelchen Puffreis mit ihr, munterte mich auf.
    Als Teemu Laaksonen um halb vier in mein Büro kam, war mir sofort klar, weshalb ich ihn in der vorigen Woche nicht erreicht hatte. Das Gesicht unter den dunklen Haaren war braun gebrannt, er musste irgendwo im Süden gewesen sein. Seine Hand war hart und rau, er wirkte reserviert.
    »Es tut mir Leid, dass ich mich erst so spät gemeldet habe, aber ich war eine Woche auf Ibiza«, erklärte er. »Ich musste einfach raus aus dem Alltag, deshalb habe ich mit ein paar Freunden einen Tennisurlaub gebucht.«
    »Wann sind Sie abgeflogen?«
    »Samstag vor einer Woche. An dem Tag, an dem Armi gestorben ist. Um vier Uhr nachmittags. Niemand hat mir Bescheid gesagt. Mallu spricht nicht mehr mit mir, und mein Vater wollte mir angeblich den Urlaub nicht verderben. Wie geht es Mallu überhaupt? Sie legt sofort auf, wenn sie meine Stimme hört. Erst von meinen Schwiegereltern habe ich erfahren, was passiert ist …« Teemu stand auf und ging ans Fenster. Er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit des Tennisspielers.
    »Wann haben Sie Armi das letzte Mal gesehen?«
    »Na, eben an dem Samstag. Kurz vor ihrem Tod, wie es scheint.«
    »Was? Um wie viel Uhr?« Ich sprang auf. Teemu starrte mich an, als hätte er meine Frage nicht verstanden. Dann verdüsterte sich sein Gesicht.
    »Wenn du glaubst, ich …«
    »Darum geht es nicht, es geht um Kimmos Unschuld. Wann hast du Armi besucht? Und warum?«
    »Ich bin gegen halb eins bei ihr vorbeigegangen, weil ich Mallu suchte. Ich wollte sie vor meiner Abreise nochmal sehen. Weil Mallu nicht zu Hause war, habe ich von einer Telefonzelle aus bei ihren Eltern in Lippajärvi angerufen, und als sich da auch niemand meldete, habe ich beschlossen, es bei Armi zu versuchen.«
    »Aber da war Mallu auch nicht? War jemand anderes bei Armi?«
    »Nein. Kimmo war gerade gegangen, und Armi erwartete noch jemanden. Sie sagte, sie hätte Mallu gerade anrufen wollen, um nochmal über die Fehlgeburt zu sprechen, aber eigentlich fände sie es sogar besser, die Sache mit mir zu bereden. Sie hat zum x-ten Mal gefragt, warum ich mir einbildete, gerade sie am Steuer gesehen zu haben.«
    »Und was hast du geantwortet?« Vor lauter Spannung war meine Kehle ganz trocken.
    »Dass ich es selber nicht mehr weiß. Das war nur ein momentaner Eindruck, ich hatte ja auch ziemlich viel getrunken. Ich hatte sogar meine Schlüssel bei Armi vergessen, zum Glück hatte Mallu ihre dabei. Wir wollten über die Straße gehen, und dabei ist Mallu irgendwie ausgerutscht und vor das Auto gestolpert. Der Wagen hat sie nur gestreift, aber er hätte wirklich ausweichen können … Ich meine, der Fahrer war nicht allein an dem Unfall schuld, das war auch unser Fehler, aber er hätte langsamer fahren müssen …«
    Es war Teemu anzuhören, dass er die Ereignisse schon wer weiß wie oft rekapituliert hatte. Es war ihm noch nicht gelungen, sich von jeder Schuld freizusprechen.
    »Was hast du denn gesehen?«, drängte ich. Erst jetzt merkte ich, dass wir zum Du übergegangen waren. Unsere Generation hatte

Weitere Kostenlose Bücher