Auf die Freundschaft!
Einkaufswagen zu legen, in dem eindeutig meine Handtasche lag.
„Das muss Ihnen doch nicht peinlich sein“, meinte Ramona. Sie tupfte mit mehreren Taschentüchern an Lutz‘ Hosenbein herum, auf dem einige Spritzer Sahne gelandet waren. „Das kann doch jedem mal passieren.“
Offensichtlich dachte Ramona, Lutz sei rot, weil er so eine Sauerei gemacht hatte. Ich ließ sie in dem Glauben.
Als Ramona wieder aufstand, ignorierte sie mich vollkommen.
„Warten Sie kurz, ich hole Ihnen neue Sahne.“
Weg war sie. Ihre Tochter stand einfach da und blickte ihr hinterher.
„Da ist aber jemand ganz schön bemüht“, grinste ich, aber Lutz verzog keine Miene.
„Nicht zu fassen“, murmelte er.
Was meinte er? Nicht zu fassen, was für einen Aufriss Ramona hier machte? Nicht zu fassen, dass er fast in Grund und Boden versunken wäre, weil wir zusammen gesehen wurden? Nicht zu fassen, dass wir jetzt sechs statt drei Becher Sahne bezahlen würden?
„Ich geh dann mal bezahlen“, sagte ich. Da Sandra noch immer neben uns stand, verkniff ich mir jegliche Bemerkung auf unser Wiedersehen in wenigen Minuten. Ich versuchte, Lutz telepathisch mitzuteilen, dass er in einer halben Stunde bei mir sein sollte und hoffte, er war für Übersinnliches empfänglich.
Tatsächlich klingelte es zwanzig Minuten später an meiner Tür. Ich überprüfte schnell noch, ob alles so war, wie ich es mir vorstellte: Mike hatte sein Baseballtrikot, das er aus Amerika mitgebracht hatte, gegen ein blaues Hemd eingetauscht. Im Wohnzimmer lief Rachmaninoff. Die ganze Wohnung war so steril, dass man darin hätte operieren können. Der Backofen war bereits vorgeheizt.
Mike saß mit Kopfhörern auf den Ohren auf der Couch im Wohnzimmer. Ich eilte zur Tür und drückte den Summer, der die Tür zum Treppenhaus öffnete.
Lutz kam bepackt mit einem Stoffbeutel die Treppen hinauf und putzte sich die ohnehin sauberen Schuhe ab, bevor er in die Wohnung trat. Bildete ich es mir ein oder war er aufgeregt? Ich nahm ihm den Beutel ab und bedeutete ihm, mir ins Wohnzimmer zu folgen. Mike zeigte sich von seiner guten Seite und erhob sich.
„Lutz, du kennst Mike ja bereits“, sagte ich und Mike reichte Lutz die Hand.
„Dr. Wantisek“, begrüßte er seinen Direktor.
„Mike.“
Lutz beäugte ihn. Ein klitzekleiner Teil in mir hatte gehofft, er würde Mike das Du anbieten, aber er tat sich bekanntermaßen etwas schwer damit.
„So, dann legen wir mal los“, rief ich in einem übertrieben fröhlichen Ton und klatschte in die Hände. Da die Küche für drei Menschen zu klein war, hatte ich alles im Wohnzimmer vorbereitet. Die drei intakten Sahnebecher und zwei Tüten Käse stellte ich auf den Wohnzimmertisch, wo sie sich zur Auflaufform, den Nudeln, dem Schinken und einigen anderen Zutaten gesellten. Da ich vor Lutz nicht mit meinem Mangel an Kochkünsten auffliegen wollte, hatte ich mir ein Rezept aus dem Internet ausgedruckt und auswendig gelernt.
Ich verteilte die Aufgaben und die Männer machten sich daran, Schinken zu schneiden und Soße herzustellen. Leider unterhielten sie sich kaum.
„Für Ende Oktober ist es noch ganz schön warm, oder?“, fragte ich in die Runde. In einem Smalltalk-Ratgeber hatte ich mal gelesen, dass man anfangs sämtliche Themen wie Beruf, Politik und Religion meiden sollte und da sich Mike weder für klassische Musik noch für Kultur begeistern konnte, war mir nichts anderes eingefallen. Mike murrte zustimmend, während er die rohen Nudeln in die Auflaufform schüttete. Lutz sah nach draußen, so als habe er überhaupt noch nicht gemerkt, dass wir bereits Oktober hatten.
„Bestimmt wird es ein ziemlich kalter Winter. Letztes Jahr hörte es hier ja gar nicht mehr auf, zu schneien, habe ich gelesen. Bei uns in den USA gab es jedes Jahr riesige Schneeberge“, plapperte ich und goss die Soße über die Nudeln.
„Mike, wie hast du dich eigentlich auf unserer Schule eingelebt?“, fragte Lutz nun und überging meinen Monolog.
„Gut“, war die Antwort. Wenn er doch etwas kommunikativer wäre!
„Gefällt dir irgendetwas besonders gut oder besonders schlecht? Ich bin stets bemüht, unseren Schülern den Schulalltag so angenehm wie möglich zu gestalten.“
„Weiß nicht. Ich finde es ganz cool, dass man nicht jeden Tag die gleichen Fächer hat, so wie auf meiner alten Schule. Aber hier sind alle mit dem Stoff viel weiter als ich. Außerdem gibt es kein Baseball in der Schule und es ist alles ziemlich old
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