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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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er wieder, der verflixte Zweite Weltkrieg in all seiner zu lernenden Langweiligkeit. Was hätten wir denn da? Ah ja, hier, ein Datum, das ist gut, danach fragen Geschichtsmenschen immer gern. Also, 6. Juni 1944, die Invasion der Alliierten in der Normandie beginnt. Das kann man sich bestimmt auch kürzer und geschmeidiger merken. 6644, Invasion, Alliier. 6644, Invasion, Alliier. 6644, Invasion, Alliier. Alles klar, das ist drin. Die Pflicht ist somit erfüllt, das Versprechen gehalten, ich habe etwas gelernt. Aber gut, wollen wir mal nicht so sein, ein weiteres Datum wird mich schon nicht umbringen. 30. April 1945, Hitler begeht Suizid im Führerbunker. 30445, Suizid von Hit. 30445 Suizid von Hit. 30445 Suizid von …
    »Daniel!«, unterbricht die Stimme meiner Mutter rüde meine hoch konzentrierte Lernphase. »Ich glaub, ich spinne!«
    Oh Mann, was ist denn jetzt schon wieder?
    »Ich lerne, Mama!«, rufe ich, so laut und genervt ich kann. »Kann jetzt nicht! Ist superwichtig!«
    Meine Zimmertür öffnet sich, Mama streckt ihren Kopf herein, und dieser Kopf sieht nicht unbedingt glücklich aus.
    »Ach ja?«, meckert sie los. »Weißt du, was auch noch superwichtig ist? Eine aufgeräumte Küche!«
    Oh, fuck. Stimmt, da war doch noch was, das habe ich total vergessen.
    »Sorry, Mama!«, sage ich und springe schnell vom Bett. »Erst hat Clarissa angerufen und dann haben wir uns verquatscht und dann …«
    »… ist in China ein Sack Reis umgefallen und die Erde blieb plötzlich stehen. Ja, ja, ich weiß, aber das interessiert mich alles nicht. Die Küche! Jetzt! Sofort! Ohne Widerrede!«
    »Okay, ich mach’s ja«, sage ich. »Du weißt aber schon, was ›ja, ja‹ eigentlich bedeutet?«
    »Ja, ich weiß genau, was ›ja, ja‹ eigentlich bedeutet«, antwortet meine Mutter. »Und genau so habe ich es auch gemeint. Los jetzt, bevor noch irgendwo ein Sack Reis umfällt.«
    Ich trolle mich an ihr vorbei in Richtung Küche. Das war’s dann wohl für heute mit Geschichte lernen, denn wenn ich mit dem Aufräumen fertig bin, mache ich mich gleich auf den Weg zum Proberaum.
    Du siehst, ich habe es wirklich versucht, Clarissa! Doch dann hat die höchste Macht im Staate Kleinschmidt meinen Wissensdurst brutal im Keim erstickt. Aber mein Versprechen habe ich gehalten! 6644, Invasion, Alliier!

7.
    »Alder, oberkrass! Un was hassdu dann gemacht?«
    »Dann hab ich dem Scheiß-Kartoffel so voll in die Fresse, weißdu! Bäm! Bäm! Bäm!«
    »Ha, ha! Escht krass, Alder!«
    »Klar, Mann! Weißdu, so voll mit die Bierglas! Bäm! Bäm! Is aber nich kaputtgegange. Also, die Glas, mein ich. Aber der Kartoffel-Fresse schon!«
    »Ha, ha! Dem Scheiß-Kartoffel!«
    »Ja, selbst dran schuld, Alder! Was muss der auch mein Schwester frage, wo geht die Weg zu die McDonald’s? Mein Schwester fragt kein Scheiß-Kartoffel irgendein Scheiße, Alder, ich schwör!«
    Und wieder etwas, was ich ganz bestimmt nicht mehr machen werde, wenn ich Rockstar bin: U-Bahn fahren. Diesen gequirlten Bockmist muss ich mir jetzt schon seit drei Stationen anhören. Was für zwei Flachpfeifen! Ich meine, die sind allerhöchstens dreizehn, also knapp älter als ihr gemeinsamer IQ hoch ist, tun aber so, als hätten sie schon zwanzig Jahre im Knast gesessen. Mann, wie ich solche Volldeppen hasse. Und – nicht dass da jemand etwas in den falschen Hals kriegt – das hat absolut nichts damit zu tun, dass es sich in diesem Fall um türkische Jungs handelt. Es gibt auch mehr als genug deutsche Schwachköpfe, die so drauf sind. Oder Russen. Oder Italiener. Egal welche Nationalität. Es bevölkern einfach zu viele Idioten diese Welt – und die meisten trifft man in der U-Bahn.
    »Alder, weißdu, hassdu schon die neue Film gesehe? Oberkrass, Alder, ich schwör!«
    »Welche Film meinsdu? Die mit dem krasse Aliens?«
    »Nee, die doch ned! Dem war doch voll schwul, Alder! Ich mein dem mit die Roberter! Oberkrass, Alder, ich schwör!«
    »Ach, dem! Klar hab ich die gesehe! Oberkrass, Alder! Wie die eine Roberter dem Bus kaputt gehaue hat! Bäm! Bäm! Bäm!«
    »Ja, krass geil, Alder! Ich schwör, so ein Roberter bau ich auch mal! Und dann macht dem alle Kartoffel platt! Bäm! Bäm! Bäm!«
    »Alder, is aber gar ned so einfach, Roberter zu baue. Brauchst du Hauptschule. Oder sogar schwule Real, weiß ned so genau.«
    »Scheißendreck Hauptschule, brauch ich ned! Meim Bruder hat auch kein Hauptschule und fährt jetzt fette 3er- BMW !«
    »Ja, aber dem baut nicht dem

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