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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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kann ich endlich mal die Winterreifen aus dem Weg räumen.«
    »Halleluja!«, jubiliert meine Mutter sarkastisch. »Das hat ja dann auch nur zwei Monate gedauert.«
    »Tu doch nicht so«, sagt mein Vater, während er hinter meiner Mutter die Küche verlässt. »Du bist doch gern dreimal pro Woche über die Reifen gestolpert.«
    »Oh ja«, höre ich meine Mutter noch sagen. »Das wird mir richtig fehlen. Wo soll ich jetzt bloß die aparten blauen Flecken an den Schienbeinen herbekommen?«
    Dann sind sie außer Hörweite und ich stehe allein vor den Resten unseres Mittagessens. Na gut, dann wollen wir mal.
    Ich sammle zuerst das Besteck ein und stopfe es in den Besteckkorb, was ganz schön nervt, denn unser Besteckkorb hat keine großen Fächer, sondern diese klitzekleinen Öffnungen, in die man alles einzeln hineinfummeln muss. So, jetzt die Teller. Das werde ich mit Sicherheit nie verstehen. Wenn man schon eine Spülmaschine hat, die allein und einzig dafür da ist, einem das lästige Spülen per Hand abzunehmen, wieso muss ich dann die Teller trotzdem vorher noch mit der Hand abwaschen?! Das macht doch gar keinen Sinn! Ich wasche mir ja vor dem Duschen auch nicht extra den Bauch mit dem Waschlappen ab, oder?!
    Ich lasse Wasser über den ersten Teller laufen, wische lustlos kurz mit der Spülbürste darüber und stelle ihn in die Maschine. Und der nächste Teller … Oh, das Telefon klingelt! Eine äußerst willkommene Unterbrechung im gnadenlos harten Sklavenalltag!
    »Ich geh dran!«, rufe ich laut, hechte auf den Flur und schnappe mir das Telefon. »Kleinschmidt, Sklavenhandel GmbH & Co. KG . Heute im Angebot: blutjunge, kaukasische Haushaltssklaven, kaufen Sie jetzt und Sie erhalten eine Spülbürste gratis!«
    »Da hat wohl mal wieder jemand Küchendienst«, höre ich Clarissa lachen. »Armer, misshandelter Danny.«
    »Hi, Clarissa«, wispere ich verschwörerisch und gehe mit dem Telefon in mein Zimmer. »Hör zu, du musst mich hier rausholen! Die Leute, die mich gekauft haben, sind Barbaren! Ich muss rund um die Uhr schuften und kriege noch nicht mal Nachtisch! Das hält der stärkste Sklave nicht aus, bitte komm und rette mich!«
    »Oje, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?«, fragt Clarissa amüsiert.
    Ich mache es mir auf meinem Bett gemütlich.
    »Och, eigentlich gar nichts«, sage ich. »Ich habe allerhöchstens eventuell Lisa ein ganz kleines bisschen geärgert. Und meine Mutter hat das fälschlicherweise auf sich bezogen. Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich sie beim Rauchen erwischt habe?!«
    »Deine Mutter raucht?!«
    »Was? Nein, nicht meine Mutter. Lisa! Lisa raucht!«
    »Ach so. Ja, das hast du mir schon erzählt, gestern.«
    »Meine Mutter hat sie vorhin fast erwischt. Sie hat Kippen in Lisas Jacke gefunden. Aber ich habe gesagt, es wären meine.«
    »Guter, großer Bruder.«
    Das lasse ich dann mal so stehen und verschweige meine erpresserischen Beweggründe für diese ganz und gar nicht selbstlose Heldentat. Clarissa mag es nämlich überhaupt nicht, wenn ich fies zu Lisa bin.
    »Sehen wir uns heute?«, frage ich. »Bitte sag, dass wir uns heute sehen. Ich vermisse dich. Am besten gleich heute Nachmittag. Kommst du zu mir?«
    »Nein, tut mir leid, ich kann heute Nachmittag nicht«, antwortet Clarissa. »Ich hab mich für eine Schicht bei der Tafel gemeldet.«
    Mist. Blöde Tafel, blöde. Muss das sein? Können die sozial Schwachen in unserer Gegend nicht mal einen Samstag ohne preiswerte Lebensmittel auskommen? Nein, können sie natürlich nicht. Ist ja auch eigentlich eine tolle Einrichtung, diese Tafel-Geschichte – nur dann nicht, wenn sie mir meine Freundin wegnimmt.
    »Och Menno«, schmolle ich. »Dann aber heute Abend?«
    »Ja, heute Abend auf jeden Fall. Wollen wir weggehen oder willst du lieber zu Hause bleiben?«
    »Also wenn du mich jetzt fragst, wo ich gerade so gemütlich auf meinem viel zu leeren, kuscheligen Bett liege, dann bin ich eindeutig für zu Hause bleiben.«
    »Das klingt allerdings sehr verlockend, das machen wir. Und bis dahin könntest du ja noch ein bisschen Geschichte üben, hm?«
    Ja, das könnte ich wohl. Werde ich aber mit Sicherheit nicht machen. Ich habe nämlich eine viel bessere Idee. Die hat zwar auch etwas mit Üben zu tun, bringt aber wesentlich mehr Spaß. Ich werde eine erste Solo-Schlagzeug-Übungseinheit im Proberaum einlegen. Das muss Clarissa aber nicht unbedingt wissen, sonst nervt sie den ganzen Abend lang mit Geschichte, wo

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