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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Roberter, dem vercheckt die gebrauchte Auto an die Tankstelle.«
    »Oh Mann, Alder, checkst du’s ned?! Woraus sind denn dem Roberter gemacht?«
    »Weiß ich doch ned. Aus dem Eisenmetallik?«
    »Genau, Alder. Und was is noch aus dem Eisenmetallik gemacht?«
    »3er- BMW !«
    »Genau! Und dem ganze andere schwule Auto von mein Bruder auch! Und damit bau ich dem krasseste Roberter, dem gibt! Dem kann Kung-Fu! Und Flammewerfer! Und Atombombe! Bäm! Bäm! Bäm!«
    Oh ja. Erzittere, Welt. Der neue globale Superschurke ist dreizehn Jahre alt, trägt sein Basecap falsch herum und kommt aller Wahrscheinlichkeit nach aus Frankfurt-Griesheim.
    »Ha, ha! Krass, Alder! Und kann dem auch fliege, dem Roberter?«
    »Klar kann dem fliege! Alle dem Roberter könne doch fliege!«
    »3er- BMW aber ned, oder?«
    »Dem bau ich auch! Bau ich endkrasse 3er- BMW , die wo fliege kann, Alder! Einem für dich und drei für mich!«
    Aua! Mein Hirn fühlt sich gerade so an, als hätte ich eine Familienpackung Schokoladeneis innerhalb einer Minute verputzt. Damit wäre der wissenschaftliche Beweis erbracht, dass Dummheit wehtut – zumindest die Dummheit anderer. Lang kann ich mir das nicht mehr anhören, sonst entstehen sicher bleibende Schäden. U-Bahn fahren gefährdet Ihre Gesundheit. Das sollte als Warnhinweis auf jedem Fahrkartenautomaten stehen.
    »Nächster Halt: Hügelstraße«, krächzt es aus den Lautsprechern.
    Ah, die nächste Chance auf Erlösung. Wenn ich Glück habe, steigen die beiden gleich aus und mein Hirn hört endlich auf, schmerzhaft zu bitzeln. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich mein Geschichtsbuch für die Fahrt mitgenommen. Geschichte lernen wäre das eindeutig kleinere Übel gewesen.
    Die Bahn wird langsamer. Yes! Der Roboter-Ingenieur und sein tumber Assistent stehen auf.
    »Alder, wem is eigentlich schneller? U-Bahn oder 3er- BMW ?«
    »Alder, bissdu scheiße oder was? Des weiß doch sogar jedem schwule Kartoffel! Unter die Erde is dem U-Bahn schneller und über die Erde dem 3er- BMW !«
    »Ey, sagsdu nich Kartoffel zu mir, Alder! Sonst mach ich dich Kartoffelbrei! Bäm! Bäm! Bäm! Wie dem Roberter!«
    Sie laufen direkt an mir vorbei. Ich drehe meinen Kopf schnell in Richtung Fenster. Jetzt bloß kein Augenkontakt. Am Ende fühlen sie sich noch von mir als stellvertretender Kartoffel provoziert. Nicht dass ich Schiss vor zwei dreizehnjährigen Dumpfstbacken hätte. Die beiden könnte ich mir locker links und rechts unter den Arm klemmen und zehn Kilometer joggen. Aber der Gefahr, einen Dialog mit ihnen führen zu müssen und dabei selbst völlig zu verblöden, möchte ich mich doch lieber nicht aussetzen.
    Während meine Bahn langsam zum Stehen kommt, fährt auf der Gegenseite eine andere ein. Ich blicke starr auf die an mir vorbeiziehenden Fenster und bete, dass die beiden Vollidioten nicht zu blöd zum Aussteigen sind. Die Bahn neben uns stoppt, im Fenster gegenüber sehe ich einen alten Mann, der eingenickt ist. Neben ihm sitzt ein Mädchen. Es schaut nach unten und schreibt etwas in ein Buch. Ich werfe einen unauffälligen Blick auf die zwei Deppen, sie steigen tatsächlich aus, Gott sei Dank! Mein malträtiertes Gehirn atmet erleichtert auf. Der Durchschnitts- IQ im gesamten Wagen ist soeben um mindestens fünfzig Punkte angestiegen.
    Als ich wieder rüber in die andere Bahn gucke, hebt das Mädchen gerade kurz den Kopf und streicht sich ein paar Haarsträhnen hinters rechte Ohr.
    Hey, Moment mal! Das ist doch … Ist sie das? Die Sonne lässt das Fensterglas stark spiegeln, ich bin mir nicht sicher. Doch, das ist sie! Das ist ihre Jacke, ganz eindeutig! Das ist Clarissa! Und wie immer, wenn ich sie sehe, vollführt mein Herz einen kleinen Purzelbaum vor Freude.
    Ich winke ihr mit einer Hand, aber sie schaut schon wieder auf das Buch und schreibt konzentriert etwas hinein. Ich nehme die zweite Hand dazu und winke wie ein hyperaktiver Fluglotse in ihre Richtung. Hallo, Clarissa! Ich bin’s! Dein heiß geliebter Freund Danny! Hier drüben! Guck doch mal!
    Keine Reaktion. Ich stehe auf, hüpfe auf und ab und vollführe die abenteuerlichsten Verrenkungen, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Aber das Einzige, was ich dadurch erreiche, ist, dass der alte Mann neben ihr aufwacht und mich ansieht, als hätte ich sie nicht mehr alle.
    Die Türen meiner Bahn schließen sich zischend, während ich wie ein Bekloppter an die Scheibe trommle und laut den Namen meiner Freundin brülle. Die Bahn ruckelt langsam

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