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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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es doch so viele aufregendere Dinge gibt, mit denen wir uns beschäftigen können.
    »Joah, mal schauen«, sage ich. »Werd ich vielleicht machen.«
    »Danny, die Prüfung ist schon am Dienstag. Du hast nicht mehr viel Zeit, du musst dich da noch mal dransetzen, sonst wird’s verdammt knapp mit deinem Abi.«
    Dienstag? Ach, das ist doch noch ewig hin, da bleibt noch mehr als genug Zeit, das schaffe ich locker.
    »Ja, ja, ich mach’s ja«, sage ich. »Ich lerne Geschichte.«
    »Sag nicht ›Leck mich am Arsch‹ zu mir, Danny«, beschwert sich Clarissa.
    »Was?! Hab ich doch gar nicht! So etwas würde ich doch nie zu dir sagen!«
    »Wusstest du das noch nicht?«, fragt Clarissa mit leicht amüsiertem Tonfall. »Wenn jemand ›Ja, ja‹ sagt, heißt das eigentlich ›Leck mich am Arsch‹.«
    »Bei mir aber nicht«, erwidere ich. »Bei mir bedeutet ›ja, ja‹ genau das, was es ist, nämlich ein zweifaches Ja, das meine in Stein gemeißelte Absicht, Geschichte zu lernen, doppelt unterstreichen soll.«
    »Ja, ja«, sagt Clarissa.
    »Hey! Ich weiß, was das heißt!«, erwidere ich lachend. »Und ich werde lernen, ob du’s glaubst oder nicht!«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Mist, jetzt muss ich tatsächlich lernen, denn ich pflege meine Versprechen zu halten. Aber ich habe ja nicht gesagt, wie viel ich lernen werde. Dieses juristische Schlupfloch werde ich auf jeden Fall nutzen.
    »Okay«, sagt Clarissa. »Dann bin ich so um halb acht bei dir?«
    »Ja, halb acht ist gut. Bis dann. Kuss.«
    »Kuss. Bis später. Freu mich schon.«
    Ich nehme das Telefon vom Ohr und will gerade auf den roten Knopf drücken, als ich noch einmal Clarissas Stimme höre.
    »Halt, Danny! Warte!«
    Ich lege das Telefon wieder an mein Ohr.
    »Ja?«
    »Da ist noch etwas, was ich dir unbedingt sagen will«, sagt Clarissa. »Etwas, was ich noch nie zu dir gesagt habe.« Sie legt eine kurze Pause ein und senkt ihre Stimme zu einem zärtlichen Wispern. »Danny, ich liebe … Zitronenkuchen.«
    Oh, diese … diese …
    »Fiese Freundin! Fiese, fiese Freundin!«
    »Ach, komm schon«, sagt sie lachend. »Du hast doch nicht wirklich erwartet, dass ich dir das am Telefon sage, oder? Hältst du mich für so unromantisch? Wenn ich es irgendwann einmal sage, will ich dir dabei in die Augen sehen.«
    »Trotzdem: fiese, fiese Freundin!«, wiederhole ich. »Das war pure, bösartige, arglistig hinters Licht führende Absicht!«
    »Natürlich war es das«, sagt sie amüsiert. »Wie sonst sollte ich dir denn vermitteln, dass ich Zitronenkuchen liebe und dass ich mich wahnsinnig freuen würde, wenn du so lieb wärst, und mir für heute Abend ein Stück bei eurem Bäcker um die Ecke holen würdest? Machst du das für deine fiese, fiese Freundin, mein herzallerliebster Danny? Bitte, bitte, bitte!«
    »Hm, lass mich mal kurz überlegen. Hat eine Freundin, die so fies ist, ein Stück Zitronenkuchen verdient? Nein, definitiv nicht.«
    »Das stimmt natürlich. Aber vielleicht hat ja eine Freundin, die heute Abend alles wiedergutmachen und äußerst liebevoll zu ihrem armen, misshandelten Freund sein wird, ein Stück Zitronenkuchen verdient?«
    » Wie liebevoll?«, will ich wissen.
    »Sagen wir mal, das hängt sehr davon ab, ob es Zitronenkuchen gibt.«
    »Das ist Erpressung! Fiese, fiese Freundin!«
    »Natürlich ist das Erpressung. Ich muss doch meinem Ruf gerecht werden. Also, was ist? Gibt es Zitronenkuchen oder nicht?«
    »Auf keinen Fall. Ich verhandle nicht mit Erpressern. Es gibt Quarkkuchen.«
    »Igitt, ich hasse Quarkkuchen!«
    »Ich weiß.«
    »Fieser Freund! Fieser, fieser Freund!«
    »Tja, wir sind eben ein äußerst fieses Paar.«
    »Das fieseste Paar der Welt!«
    Wir müssen beide lachen.
    »Okay, dann bis heute Abend, Danny«, sagt Clarissa schließlich. »Ich freu mich schon.«
    »Ich mich auch«, sage ich. »Bis dann.«
    Ich warte, ob sie auch wirklich auflegt oder sich noch eine kleine Gemeinheit einfallen lässt, aber es kommt keine mehr, also lege ich auch auf.
    Sosehr ich es auch bedaure, dass ich Clarissa heute Nachmittag nicht sehen werde – jetzt gerade freue ich mich tierisch darauf, mich nachher im Proberaum ein bisschen allein an meinem Schlagzeug austoben zu können, denn das habe ich ewig nicht mehr gemacht.
    Ich fische das Geschichtsbuch unter zwei Musikzeitschriften hervor, rücke ein Kissen hinter meinem Rücken zurecht und schlage das Buch auf einer der Seiten auf, die Clarissa mit einem Post-it markiert hat.
    Seufz. Da ist

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