Auf die Ohren
Zweiter Weltkrieg vorbereiten, Herr Kleinschmidt?«, fragt Töpfer.
Ich nicke.
»Sie wirken sehr angespannt«, stellt die Hannemann mitfühlend fest. »Leiden Sie unter Prüfungsangst?«
»Äh … nein … oder … doch … weiß nicht«, stammele ich ihr entgegen.
»Bleiben Sie ganz ruhig, Herr Kleinschmidt«, sagt die Hannemann sanft lächelnd. »Auch wenn es auf Sie vielleicht im Moment so wirkt, wir sind nicht die Spanische Inquisition.«
»Sind wir nicht?«, fragt der Töpfer gespielt verwundert. »Aber wozu habe ich denn dann die Daumenschrauben mitgebracht?«
»Und ich habe extra das Folterrad nebenan noch einmal geölt«, stimmt der andere Lehrer enttäuscht mit ein.
Alle drei fangen an zu lachen. Ich quäle mich ebenfalls zu einem Lachen und hoffe, dass sie mich nicht danach fragen, wer oder was oder wann dieses spanische Dingsbums war.
»Spaß beiseite«, sagt Töpfer und greift nach einem Blatt Papier vor sich. »Kommen wir zu den Fragen.«
Nein, bitte nicht! Alles, nur das nicht! Keine Fragen! Scheiße, ich weiß plötzlich überhaupt nichts mehr! Nicht dass ich jemals viel gewusst hätte, aber soeben hat irgendetwas selbst die kleinsten Wissensfitzelchen aus meinem Gehirn gesaugt und ins All geschossen. Und genau dort wäre ich jetzt auch viel lieber. Da ist es schön ruhig und niemand stellt Fragen. Wie hieß dieser böse Mann mit dem Bärtchen noch mal? Der mit dem blonden Hund? Irgendwas mit H, oder? Fuck, ich bin verloren.
»Fangen wir mit etwas Leichtem an, zum Warmwerden«, sagt Töpfer. »Wann genau und mit welcher Kriegshandlung begann Hitler den Zweiten Weltkrieg?«
Hitler, genau, so hieß der Mann, ich erinnere mich wieder, danke! Und wann und wie er den Krieg angefangen hat, das müsste ich eigentlich wissen, dafür habe ich mir doch auch so einen Spruch gebastelt. Moment, ich hab’s gleich. Eins-neun-eins-neun-drei-neune, in Polen fallen die Zäune? Yes, das ist es!
»Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit dem Einmarsch in Polen«, sage ich und versuche, dabei so selbstsicher wie möglich zu wirken.
»Das ist korrekt, Herr Kleinschmidt«, sagt Töpfer.
»Sehen Sie, ist doch alles halb so schlimm«, sagt die Hannemann lächelnd.
»Solange er richtig antwortet, ja«, sagt der dritte Lehrer. »Falls nicht, kommt doch noch meine Schädelzwinge zum Einsatz.«
»Gut, nächste Frage, noch eine leichte«, sagt Töpfer. »Wann und unter welchen Umständen starb Hitler?«
Ha! Das weiß ich auch! 30445, Suizid von Hit!
»Hitler starb am 30. April 1945 im Führerbunker durch Selbstmord«, antworte ich.
»Auch das ist korrekt«, bestätigt mir Töpfer.
»Wussten Sie eigentlich, dass er einen Hund hatte?«, schiebe ich ungefragt hinterher. »Er hieß Blondi.«
»Was Sie nicht sagen, Herr Kleinschmidt«, sagt Töpfer. »Und wie groß war Blondis Einfluss auf den Kriegsverlauf?«
Mist. Ich und meine große Klappe. Das hat man nun davon, wenn man mit unnützem Wissen prahlen will – eine verdammte Anschlussfrage.
»Öh … ahm …na ja …«, stammele ich, um Zeit zu gewinnen. »Sie war an der Front und hat Amerikanern in den Hintern gebissen?«
Töpfer zieht mit skeptischem Blick die Augenbrauen nach oben.
»An welcher Front?«, fragt er.
Gute Frage, aber da ich sowieso nur eine Front kenne, ist die Antwort kein Problem. 6644, Invasion, Alliier.
»In der Normandie, am 6. Juni 1944, bei der Invasion der Alliierten«, sage ich.
»Und da war also Hitlers Hund Blondi beteiligt?«, hakt Töpfer nach.
»Jawohl«, antworte ich mit ernster Miene. »Er hat sogar einen Orden gekriegt, die Goldene Tapferkeitsmedaille für Verdienste ums Vaterland.«
Wenn man einmal mit dem Erfinden völlig abstruser historischer Begebenheiten angefangen hat, muss man dabei bleiben, oder? Und alles weiß so ein Geschichtslehrer sicher auch nicht, soll er mir erst mal das Gegenteil beweisen.
Die drei schauen sich ernst an und schütteln die Köpfe, bevor sie laut anfangen zu lachen.
»Der war nicht schlecht, Herr Kleinschmidt!«, sagt Töpfer glucksend. »Ich wünschte, wir hätten mehr Kandidaten wie Sie, dann wären diese Prüfungen für alle Beteiligten wesentlich erträglicher.«
Sehr seltsam. Im Unterricht fand er meine Bemerkungen nie witzig. Aber okay, ich will mich nicht beschweren. Wenn ich meine zwei Punkte für humorvollen Blödsinn kriege, soll mir das recht sein, davon habe ich noch jede Menge auf Lager.
»Nichtsdestotrotz, dies ist eine Abiturprüfung und somit
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