Auf die Ohren
eine ernst zu nehmende Angelegenheit«, sagt Töpfer, als er ausgelacht hat. »Frau Hannemann, möchten Sie bitte die nächste Frage stellen?«
Mist, zu früh gefreut.
»Ja, sehr gern«, sagt die Hannemann. »Also, Herr Kleinschmidt, was können Sie uns über Hitlers Bündnispolitik sagen?«
Nichts. Aber auch absolut rein gar nichts. Das Kapitel habe ich im Buch immer überschlagen und auf später verschoben. Und mit etwas Witzigem komme ich bestimmt nicht noch mal durch.
»Tja …«, sage ich und kratze mich gespielt nachdenklich am Kopf. »Die Bündnispolitik von Hitler war …«
Erfolgreich? Nicht so erfolgreich? Total für’n Arsch?
»Welche Verbündeten hatte Deutschland denn, Herr Kleinschmidt?«, versucht mir Töpfer auf die Sprünge zu helfen.
Keine Ahnung. Viele können es jedenfalls nicht gewesen sein, sonst hätte man den Krieg ja wohl nicht verloren. Aber ich habe offenbar einen, denn die Tür öffnet sich plötzlich und ein Kopf schiebt sich in den Raum.
»Bin ich zu spät? Haben Sie schon angefangen?«
Oh nein. Das ist kein Verbündeter. Das ist unser durchgeknallter Direktor. Was will der denn hier? Die anderen scheinen sich dasselbe zu fragen, denn sie werfen sich verwunderte Blicke zu.
»Herr Direktor?«, fragt Töpfer. »Können wir Ihnen irgendwie helfen?«
»Nein, nein, nicht nötig«, antwortet der Direx. »Ich weiß, wie das läuft, habe schließlich selbst mehr als genug Prüfungen abgehalten. Geschichte, nicht wahr? Nicht gerade mein Spezialgebiet, aber wen stört das schon? Sie lesen die Fragen ja schließlich auch nur ab, nicht wahr?«
»Sie … Sie möchten an dieser Prüfung teilhaben?«, fragt Töpfer verwirrt.
»Falsch, Kollege Töpfer«, erwidert der Direktor. »Ich möchte nicht an dieser Prüfung teilhaben, ich werde diese Prüfung leiten. Los, rücken Sie mal eins auf.«
»Aber Herr Direktor! Das … das geht doch nicht!«, protestiert Töpfer.
»Und ob das geht! Sie müssen sich nur kurz von Ihrem Stuhl erheben und auf dem daneben Platz nehmen, das kann so schwer nicht sein.«
»Nein, das … das meinte ich nicht. Sie können die Prüfung nicht leiten, das wollte ich damit sagen.«
»Ach was? Das ist ja interessant. Sie sind also in der Lage, einfach so mir nichts, dir nichts aus dem Nichts heraus zu beurteilen, was jemand kann oder nicht kann? Hut ab, Kollege Töpfer. Haben Sie schon mal überlegt, mit dieser Nummer im Zirkus aufzutreten? Ach so, Verzeihung, ich vergaß, Sie arbeiten ja bereits in diesem Zirkus.«
»Herr Direktor«, sagt Töpfer und räuspert sich ernst, »die Prüfungsordnung sieht vor, dass mündliche Abiturprüfungen vom Fachausschuss des zu prüfenden Fachs abgenommen werden müssen. Sie sind nicht im Fachausschuss für Geschichte.«
»Das stimmt«, sagt der Direx. »Und ich danke Gott jeden Tag dafür. Oh, apropos Gott: Sie wissen doch sicher, wer hier an der Schule die oberste Instanz darstellt? Und die oberste Instanz möchte sich jetzt auf Ihren Stuhl setzen, also husch, husch!«
Töpfer gibt auf und setzt sich kopfschüttelnd auf einen anderen Stuhl.
»Zeigen Sie mal her«, sagt der Direx und schnappt sich den Zettel von Frau Hannemann. »Was hätten wir denn da?«
Er überfliegt die Fragen und wendet sich dann an mich.
»Also, Herr Kleinschmidt, dann wollen wir doch mal überprüfen, ob Sie das nötige Wissen für Ihr Reifezeugnis besitzen. Welche Schuhgröße hatte Hitler?«
Wie bitte, was? Das war jetzt aber nicht sein Ernst, oder? Ich glaube kaum, dass diese historisch belanglose Information in Geschichtsbüchern zu finden ist. Darauf hat mich Clarissa jedenfalls nicht vorbereitet.
»Diese Frage steht aber nicht auf der Liste, Herr Direktor«, bemerkt Frau Hannemann.
»Sollte sie aber, Frau Kollegin«, erwidert der Direx. »Ich meine, wo bleibt denn da die Herausforderung für die Prüflinge, wenn immer nur dieselben Fragen gestellt werden? Haben wir nicht den Auftrag, unsere Jugend zum selbstständigen Denken zu erziehen? Also, Herr Kleinschmidt, zeigen Sie uns doch bitte einmal, wie Sie selbstständig denken, und verraten Sie uns Hitlers Schuhgröße.«
Ich schaue ratlos zwischen Töpfer und den anderen Lehrern hin und her und zucke mit den Schultern.
»Keine Ahnung«, sage ich. »Einundvierzig?«
»Falsch!«, brüllt der Direx und lässt seine Faust auf den Tisch krachen. »Nächste Frage: Wie mochte Hitler sein Frühstücksei am liebsten? Die Angabe bitte in Sekunden.«
»Sie müssen diese Frage nicht
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