Auf die Ohren
keine Chance, nie. Und das weiß sie ganz genau. Ich werde auf dieses Scheißkonzert gehen. Aber nicht, ohne vorher noch etwas zu klären.
»Ich komme nur mit, wenn du mir die Wahrheit sagst«, sage ich bestimmt.
»Die Wahrheit? Worüber denn?«
Sie sieht mich verwundert an.
»Christopher hat mich angelogen«, sage ich. »Als ihr zusammen zum Proben gekommen seid. Er war gar nicht beim Zahnarzt, um Lisa abzuholen, das weiß ich.«
»Oh … ach so … Das meinst du«, sagt sie leise. »Tut mir leid, das kann ich dir nicht sagen, hab’s versprochen.«
»Also hat er mich angelogen?«
Sie nickt.
»Ist es irgendwas Schlimmes?«, will ich wissen.
»Na ja … wie man’s nimmt«, sagt Clarissa und kichert dabei ein ganz kleines bisschen.
»Es ist also etwas Lustiges?«, schließe ich daraus. »Dann musst du’s mir sagen!«
»Nein, ich hab’s versprochen«, erwidert sie, muss aber wieder kichern.
»Hey, das ist nicht fair!«, beschwere ich mich. »Sag’s mir! Ich erzähle dir auch immer alles! Vor allem, wenn es lustig ist! Los, raus damit!«
»Na gut … ich … ich sag’s dir«, druckst sie herum. »Aber du musst versprechen, dass du ihn nicht darauf ansprichst! Niemals! Wenn er mitkriegt, dass du es weißt, reißt er mir den Kopf ab!«
»Okay, okay, versprochen! Jetzt sag’s schon!«
»Christopher … Christopher nimmt … Das glaubst du nie!«
Sie fängt wieder an zu kichern.
»Was? Was nimmt er?«, hake ich ungeduldig nach. »Drogen? Abführmittel? Wehrlosen Omas ihre Rente ab?«
»Christopher nimmt Akkordeon-Unterricht!«, platzt sie laut prustend heraus.
»Wie bitte, was?!«
Ich habe zwar verstanden, was sie gesagt hat, will aber sichergehen, dass ich mich nicht verhört habe.
»Er spielt Akkordeon«, wiederholt Clarissa. »Und sein Akkordeon-Lehrer wohnt gleich bei mir um die Ecke. Ich hab Christopher auf dem Weg zum Proben zufällig auf der Straße getroffen und er hatte ein Akkordeon dabei! Da gab’s dann auch nichts mehr zu leugnen. Wir sind auch nicht wegen der Bahn zu spät gekommen. Christopher wollte erst noch das Akkordeon nach Hause bringen, damit ihr ihn nicht damit seht. Ist ihm echt oberpeinlich.«
Das kann ich mir vorstellen. Ein Punkrocker, der Akkordeon spielt – der Spott, der auf ihn niederprasseln würde, wäre unbarmherzig und endlos. Es gibt wohl kaum ein anderes Instrument, das weniger Punk ist als eine Quetschkommode. Trotzdem bin ich erleichtert, denn das erklärt, weshalb Christopher gelogen hat. Es erklärt allerdings nicht, wie jemand wie Christopher oder überhaupt irgendjemand auf die absurde Idee kommt, Akkordeon spielen zu wollen.
»Das ist ja abartig«, stelle ich fest. »Und warum macht er das? Ich meine, niemand lernt doch freiwillig Akkordeon, wenn er nicht gerade von einer Polka-Kapelle großgezogen wurde.«
»Das hat irgendwas mit seinem Opa zu tun, der wünscht sich das zum Geburtstag oder zum Hochzeitstag oder so, hab ich auch nicht genau verstanden. Aber du darfst ihn nicht darauf ansprechen, okay? Echt nicht!«
Oh, das wird schwer. Das wird verdammt schwer. Vor allem, wenn es mal wieder mit den Schlagzeugerwitzen losgeht. Ich meine, ich habe da ab jetzt, was Musikerwitze angeht, quasi die Atombombe in der Hinterhand. Und die Versuchung, sie zu zünden, wird riesig sein. Allein der Gedanke daran zaubert mir ein schadenfrohes Grinsen ins Gesicht.
»Danny, bitte!«, unterbricht Clarissa meine Allmachtfantasie. »Du hast es versprochen!«
Ja, das habe ich. Und daran werde ich mich halten, auch wenn es noch so schwerfällt. Aber vielleicht erwische ich ihn ja mal zufällig mit seiner Quetschkommode unterm Arm, dann kann ich für nichts mehr garantieren.
»Nein, keine Sorge, ich sag nichts«, versichere ich Clarissa.
»Gut«, sagt sie und drückt mir meine Jacke in die Hand. »Dann können wir ja endlich gehen. Hast du alles?«
Ich klopfe meine Taschen nach Portmonee, Schlüssel und Tabak ab.
»Ja, hab alles«, brumme ich. »Außer Lust, da hinzugehen.«
»Die kommt schon noch«, sagt Clarissa und zwinkert mir zu. »Was ist mit Lisa? Nehmen wir sie mit?«
»Nein, sie ist bei Christopher, wir treffen sie dann mit den anderen in Höchst. Es sei denn, er spielt ihr was auf dem Akkordeon vor und sie fällt ins Koma.«
»Kein Ton!«, weist mich Clarissa kichernd zurecht. »Auch nicht zu Lisa! Los, lass uns gehen.«
Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Dann gehe ich eben gezwungenermaßen auf dieses Scheißkonzert und höre mir die
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