Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
Vom Netzwerk:
gesehen!«
    Er schlingt seine Arme um sie und drückt sie so fest an sich, dass ihre Füße vom Boden abheben.
    »Hi, Vinnie«, japst Lisa lachend.
    Sie hat ihn sicher auch vermisst, die beiden haben sich immer gut verstanden.
    Er setzt sie wieder auf dem Boden ab, tritt einen Schritt zurück und betrachtet sie.
    »Mensch, Küken, du wirst ja immer mehr zur Sahneschnitte«, stellt er fest. »Ich glaub, ich muss gleich nachher mit meiner Freundin Schluss machen.«
    »Ach, du!«, quiekt Lisa giggelnd und wird knallrot dabei.
    »Ich denke, das wird nicht nötig sein«, zischt Christopher ihn von der Seite an.
    »Ach, stimmt ja, Küken!«, sagt Vinnie. »Du bist mit dem Gitarrengenie zusammen! Na ja, wenn dir das irgendwann zu langweilig wird, du hast ja meine Nummer.«
    Christopher sieht ihn an, als würde er ihm im nächsten Augenblick an die Gurgel springen.
    »Hey, Alter, ist doch nur Spaß!«, sagt Vinnie und streckt ihm seine Hand entgegen. »Hi, Christopher. Alles klar bei dir?«
    »Hi, Vinnie. Bis eben ging’s noch«, knurrt Christopher und lässt Vinnies ausgestreckte Hand eiskalt in der Luft verhungern.
    Okay, Christopher ist mit Vinnie nie wirklich warm geworden – offenbar hat er eine bessere Menschenkenntnis als ich.
    Im nächsten Moment steht Vinnie vor mir. Er breitet seine Arme weit aus, kommt auf mich zu, zögert kurz und umarmt mich.
    »Danny-Boy«, sagt er und klopft mir mit beiden Händen mehrmals kräftig auf den Rücken. »Freut mich echt sehr, dass du da bist. Damit hätte ich als Allerletztes gerechnet.«
    Ich auch. Und damit, dass er so tut, als wäre nichts gewesen, schon gar nicht. Ich meine, wir haben über ein Jahr lang kein Wort gewechselt und jetzt begrüßt er mich so, als wären wir uralte Freunde, die sich nur eine Zeit lang nicht gesehen haben? Ich weiß gerade nicht so richtig, wie ich damit umgehen soll.
    »Äh … ja«, sage ich. »Ich wurde überredet.«
    »Gut für dich«, sagt Vinnie. »Sonst würdest du nämlich eine verdammt geile Band verpassen. Die Texte sind übrigens hauptsächlich von mir.«
    »Ich bin gespannt«, sage ich, was ja irgendwie sogar stimmt. Ich bin sehr gespannt darauf, wie schlecht seine Texte tatsächlich sind.
    Vinnies Blick fällt auf Clarissa.
    »Larissa, mein Zuckerschneckchen«, sagt er schmierig grinsend und nimmt Anlauf, sie ebenfalls zu umarmen.
    »Also erstens heiße ich immer noch Clarissa«, knurrt sie ihn an, »zweitens bin ich nicht und war ich auch nie dein Zuckerschneckchen. Und drittens: Wenn du auch nur einen Schritt näher kommst, singst du nachher mindestens eine Oktave höher.«
    Sie zuckt kurz mit ihrem rechten Knie in Richtung seiner Körpermitte, Vinnie weicht zwei Schritte zurück.
    »Okay, okay, kein Stress, Baby«, sagt er. »Man wird doch wohl noch ein Späßchen machen dürfen. Aber das hast du ja schon nicht verstanden, als wir zusammen waren.«
    »Wir waren nie wirklich zusammen«, knurrt sie ihn an.
    »Oh, wenn ich mich richtig erinnere, waren zumindest zwei unserer Körperteile öfter ziemlich eng zusammen«, sagt Vinnie zwinkernd.
    Gott sei Dank! Ich hatte doch tatsächlich ganz kurz die Befürchtung, Vinnie hätte sich verändert und ich könnte ihm vielleicht nicht mehr böse sein und am Ende sogar verzeihen. Aber da ist er ja wieder, der überhebliche, selbstverliebte und asoziale Drecksack-Vinnie, dem ich letztes Jahr die Freundschaft gekündigt habe.
    Ich öffne gerade den Mund, um ihm etwas Entsprechendes an den Kopf zu werfen, aber das ist nicht nötig, das erledigt Clarissa schon ganz allein.
    »Was, echt?«, erwidert sie mit sarkastischem Unterton. »Da kann ich mich zum Glück überhaupt nicht dran erinnern. Weißt du, im Gegensatz zu dir verfüge ich nämlich über ein funktionierendes Gehirn, das besonders eklige Erinnerungen ausblendet.«
    »Dein Verlust«, sagt Vinnie, zuckt kurz gleichgültig mit den Schultern und wendet sich wieder an mich. »Sorry, Danny-Boy, ich hätte dir gern ein etwas weniger zickiges Abfallprodukt von mir vererbt.«
    Okay, das reicht, Schluss mit lustig. Mein erster Impuls ist, ihm an die Gurgel zu springen und ihn so lang zu schütteln, bis er sich bei Clarissa entschuldigt, aber ich reiße mich zusammen. Wenn ich ihn jetzt körperlich angreife, ziehe ich wahrscheinlich alle Aufmerksamkeit auf uns und hier bricht gleich die Hölle los.
    »Weißt du was?«, zische ich ihn stattdessen an. »Verpiss dich einfach, Vinnie. Halt deine, dreckige, unqualifizierte Fresse und verpiss

Weitere Kostenlose Bücher