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Auf doppelter Spur

Auf doppelter Spur

Titel: Auf doppelter Spur
Autoren: Agatha Christie
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du mir nicht erzählt hast. Ich möchte, dass du mir vertraust. Wenn Hardcastle etwas weiß, was gegen dich spricht, etwas, das er mir nicht erzählt hat – «
    »Erwartest du denn, dass er dir alles erzählt?«
    »Nun, ich wüsste nicht, warum er es nicht tun sollte. Wir gehören ungefähr zur selben Branche.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du etwas mit der Polizei zu tun hast«, sagte Sheila und rührte langsam in ihrer Kaffeetasse.
    »Es ist nicht direkt die Polizei. Aber in gewisser Hinsicht ein Zweig davon. Ich wollte nur sagen, dass es einen besonderen Grund dafür gibt, wenn Dick mir nicht alles erzählt, was er über dich weiß. Weil er meint, dass ich an dir interessiert bin. Und das bin ich – und noch mehr: Ich halte zu dir, Sheila, was immer du auch getan haben magst… Du warst zu Tode erschrocken, als du aus dem Haus stürztest – war es nur wegen der Leiche? Oder war es noch etwas anderes?«
    »Weswegen denn sonst?«
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen: »Warum hast du die Uhr genommen, auf der Rosemary stand?«
    »Was sagst du? Weshalb sollte ich… ich habe sie nicht angerührt!«
    »Du gingst in das Zimmer zurück, weil du angeblich deine Handschuhe vergessen hattest. Du trugst an dem Tag zwar keine Handschuhe – ich habe dich nie mit Handschuhen gesehen. Also, du gingst in das Zimmer und nahmst die Uhr. Lüg mich nicht an. So war es doch, nicht?«
    »Gut«, sagte sie nach einer Pause fast flüsternd. »Gut. Ich habe die Uhr genommen, sie in meine Tasche gesteckt und bin dann wieder hinausgegangen… weil Rosemary darauf stand. So heiße ich: Rosemary Sheila.«
    »Und es war nur die Tatsache, dass dein Name auf einer der Uhren stand?«
    Aus meinem Ton hörte sie, dass ich ihr nicht glaubte, aber sie blieb dabei. Ich sah sie an. Sheila war mein Mädchen, sollte es für immer sein. Aber ich machte mir keine Illusionen über sie. Sheila war eine Lügnerin und würde es wahrscheinlich immer sein. Es war ihre Art, ums Überleben zu kämpfen. Es war eine kindliche Waffe, und sie hatte vermutlich nie aufgehört, sie zu benutzen. Wenn ich Sheila wollte, musste ich sie nehmen, wie sie war – und da sein, um ihre Schwächen auszugleichen. Wir alle haben unsere schwachen Seiten. Ich entschloss mich zum Angriff als der einzigen Möglichkeit: »Die Uhr gehörte dir, nicht wahr?«
    Sie rang nach Luft: »Woher weißt du das?« Und dann platzte sie mit der ganzen Geschichte heraus. Sie hatte die Uhr fast ihr ganzes Leben lang besessen. Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr war sie immer Rosemary genannt worden – aber sie hasste den Namen und bestand darauf, Sheila gerufen zu werden. Kürzlich war die Uhr nicht mehr richtig gegangen. Sie hatte sie zum Uhrmacher in der Nähe des Büros bringen wollen, hatte sie dann aber irgendwo liegen gelassen – vielleicht im Bus oder in der Milchbar, etwa eine Woche vor dem ersten Mord. Sie war nicht allzu traurig darüber gewesen, weil die Uhr schon alt war und immer falsch ging. Es war besser, eine neue zu kaufen.
    »Erst habe ich sie gar nicht bemerkt«, fuhr sie fort, »noch nicht, als ich ins Zimmer kam. Dann – dann fand ich den Toten. Ich war wie gelähmt. Ich richtete mich auf, nachdem ich ihn berührt hatte, und wie ich so vor mich hinsehe, steht meine Uhr vor mir auf dem Tisch beim Kamin – meine Uhr –, und ich hatte Blut an der Hand. Und dann kam sie, und ich vergaß alles andere, weil sie fast auf ihn getreten wäre. Und ich wollte nichts als raus… Später fing ich dann an zu überlegen. Sie sagte, sie hätte mich nicht angerufen – wer dann? –, wer schickte mich dorthin und stellte meine Uhr auf den Tisch? Ich – ich redete von liegen gelassenen Handschuhen und stopfte sie in meine Tasche. Es war wohl sehr – töricht von mir.«
    »Du hättest nichts Dümmeres tun können«, erklärte ich ihr. »In mancher Beziehung hast du überhaupt keinen Verstand.«
    »Aber jemand will mich in die Sache hineinziehen! Diese Postkarte. Die muss jemand geschickt haben, der wusste, dass ich die Uhr eingesteckt habe! Und die Postkarte selbst – Old Bailey! Wenn mein Vater ein Verbrecher war – «
    »Was weißt du von deinem Vater und deiner Mutter?«
    »Sie kamen bei einem Unfall ums Leben, als ich noch ein Baby war. Das hat mir meine Tante gesagt. Aber sie spricht nie von ihnen, erzählt mir nie etwas über sie. Manchmal, wenn ich sie hier und da gefragt habe, hat sie etwas erzählt, was nicht mit dem übereinstimmte, was sie früher berichtet hatte. Deshalb habe ich
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