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Auf doppelter Spur

Auf doppelter Spur

Titel: Auf doppelter Spur
Autoren: Agatha Christie
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augenzwinkernd. Und wir beide lachten verständnisinnig.
    Er ging zu Nr. 61 und ich weiter zur Albany Road. Ich war sehr unzufrieden mit mir. Wie Poirot schon gesagt hatte, aus den Nachbarn hätte mehr herausgeholt werden müssen. Es war höchst unnatürlich, dass ni e mand etwas gesehen haben sollte! Vielleicht hatte Hardcastle die falschen Fragen gestellt?
    Aber hatte ich bessere? Während ich in die Albany Road einbog, überlegte ich mir folgende Probleme:
     
    Mr Curry (Castleton) wurde betäubt – Wann?
    Wurde getötet – Wo?
    Wurde nach Nr. 19 geschafft – Wie?
    Jemand muss etwas gesehen haben! – Wer? Was?
     
    Ich bog wieder links ab und ging nun genauso durch Wilbraham Crescent wie am 9. September. Sollte ich Miss Pebmarsh aufsuchen? Was sollte ich sagen? Oder Miss Waterhouse? Mrs Hemming vielleicht? Es war ziemlich gleichgültig, was man Mrs Hemming fragte. Sie würde doch nicht zuhören.
    Wilbraham Crescent zeigte sich von seiner besten Seite, hell und sonnig. Wenn nur die Steine reden könnten! Es waren nur wenige Menschen auf der Straße. Es war, überlegte ich mir, eine für einen Mord bestens geeignete Tageszeit. Hatte der Mörder das auch bedacht, fragte ich mich? War das ein Teil seines Planes gewesen? Schließlich langte ich vor Nr. 19 an. Außer mir war niemand zu sehen. Plötzlich fühlte ich einen stechenden Schmerz in der Schulter. Ich hatte mich gegen den Pfosten von Nr. 20 gelehnt, und wieder saß dort die große, rötliche Katze. Ich sprach ein bisschen mit ihr, nachdem ich erst einmal ihre Pfote von meiner Schulter entfernt hatte. »Wenn Katzen nur sprechen könnten!«, eröffnete ich die Unterhaltung. Sie miaute melodisch. »Ich weiß, du kannst es – aber wir sprechen nicht dieselbe Sprache.« Sie beäugte mich kühl, kehrte mir die Hinterseite zu und begann sich zu putzen.
    Ich blickte über die Straße. Warum konnte es dort keine Nachbarn geben? Warum nur diesen riesigen, unmenschlich aussehenden Steinkasten? Als mein Auge die Fassade hinaufsah, fiel mir auf halbem Weg ein Lichtreflex auf. Ich war verwundert. Da wieder. Ich steckte meine Hand in die Tasche. In meinen Taschen befinden sich immer viele Dinge, die gelegentlich sehr nützlich sein können. So ein paar harmlose Werkzeuge, mit denen sich fast alle verschlossenen Türen öffnen lassen, grauer Puder mit einer Fantasieaufschrift darauf, ein dazugehöriger Zerstäuber, dieses und jenes, dessen eigentlichen Zweck niemand erraten würde. Unter anderem hatte ich ein kleines Taschenteleskop. Da blickte ich nun durch.
    Am Fenster war ein Kind. Ein langer Zopf hing über eine Schulter. Es studierte mich durch ein Opernglas mit einer Aufmerksamkeit, die einem hätte schmeicheln können. Da es aber sonst nichts zu sehen gab, war es vielleicht doch nicht so schmeichelhaft. In diesem Augenblick fuhr ein alter Rolls-Royce mit einem ältlichen Chauffeur am Steuer würdevoll die Straße entlang. Meine kindliche Beobachterin richtete jetzt ihre Augen darauf, und ich stand da und dachte nach.
    Ich habe immer geglaubt, dass man Glück haben muss, wenn man nur lange genug darauf wartet. War das vielleicht meine Glückssträhne? Ich merkte mir das Fenster genau, ging um den Block bis zum betreffenden Haus und hoffte, dass Nr. 77 die richtige Tür zum Klingeln war. Sieben bedeutet Glück. Also los.

26
     
    E in großes, blondes Mädchen öffnete die Tür und sah mich fragend an. Spuren von Mehl an den Händen und auf der Nase verrieten, wobei ich es gestört hatte.
    »Verzeihen Sie«, sagte ich, »aber hier wohnt doch ein kleines Mädchen, nicht wahr? Es hat etwas aus dem Fenster geworfen.«
    »Verzeihung – was Sie sagen…? Mädchen? Ja«, sie nickte.
    Ich hielt ihr meine geöffnete Hand hin. Darauf lag ein silbernes Obstmesser. Es war deutlich zu sehen, dass es ihr fremd war.
    »Sie sind gerade beim Kochen, ich möchte Sie nicht stören. Darf ich es dem Mädchen selbst bringen?«
    »Verzeihung?« Doch sie schien zu begreifen, was ich wollte, und ich wurde in ein hübsches Wohnzimmer geführt. Eine Couch war vor das Fenster gestellt worden, und darauf lag ein etwa neunjähriges Mädchen mit einem eingegipsten Bein.
    »Dieser Herr, er sagen, du – du fallen…« Zum Glück drang in diesem Augenblick ein starker Geruch nach angebranntem Kuchen aus der Küche. »Entschuldigung bitte«, sagte meine Führerin und enteilte in die Küche. Ich schloss die Tür und ging zur Couch.
    »Guten Tag«, sagte ich.
    »Guten Tag«, erwiderte das Kind und
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