Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
Altersvorsorge dienen sollte. Meine Großmutter konnte die Summe nur zahlen, weil sie etwa zum gleichen Zeitpunkt einen Bausparvertrag ausgezahlt bekommen hat.«
Tinas Mutter hat auch jedes ihrer Kinder überredet, für sie Verträge oder andere finanzielle Verpflichtungen zu unterschreiben. Tinas Unterschrift hat sie mindestens zweimal gefälscht. Die hohen Kosten, die dadurch entstanden, hat die Tochter über viele Jahre abbezahlen müssen. Und damit war es nicht vorbei:
»Vor einigen Monaten kam ein Beamter vom Hauptzollamt zu mir. Meine Mutter hatte mich, nachdem ich volljährig und somit geschäftsfähig war, dazu gedrängt, ihr selbstständiges Gewerbe auf meinen Namen anzumelden. Es war also ihre Firma, die sie, weil sie da bereits verschuldet war, nicht auf ihren eigenen Namen anmelden konnte. Sie suchte sich einen Angestellten mit einer Schwerbehinderung. Für seine Beschäftigung bekam sie Fördergelder in Höhe von ca. 8800 E. Diese Summe wurde ihr zweckgebunden für seinen Lohn gezahlt, allerdings mit der Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis mindestens ein Jahr lang Bestand haben musste. Dieses war offensichtlich nicht der Fall, da der Zollbeamte von mir die Fördergelder in voller Höhe zurückforderte. Somit musste ich einen Kredit über diese Summe aufnehmen, den ich nun in Raten abbezahlen muss.
Nachdem ich das Gewerbe nicht mehr auf meinen Namen fortführen wollte, ließ meine Mutter es auf meinen erwachsenen Bruder überschreiben. Er hat durch dieses Gewerbe und andere Verbindlichkeiten unserer Mutter inzwischen auch über 45000 € Schulden und wird deshalb wahrscheinlich in Insolvenz gehen müssen. Mutter hat im Namen all meiner Geschwister, sobald diese volljährig waren, Schulden aufgenommen.
Wenn meine Mutter ihre fast einjährige Haftstrafe verbüßt hat, wird auch meine kleine Schwester Linda bald volljährig sein. Der Grund der Haftanordnung waren unter anderem Betrugsdelikte. Mutter hat nie eingesehen, etwas falsch gemacht zu haben. Deshalb fürchte ich, dass Linda die Nächste sein wird, die Mutter überredet, für sie Verträge zu unterzeichnen. Linda würde vermutlich alles machen, wenn Mutter es ihr sagt. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass Mutter alle Mittel recht sind, wenn es um Geld geht.«
Dabei sah die Mutter ihre Kinder oft als Last an, die sie bestenfalls ausbeuten konnte. Tina musste nach der Schule im Bügelstudio arbeiten, das ihre Mutter betrieb, und sich anschließend um den Haushalt kümmern. Als sie schließlich ein Praktikum in einer Tischlerei begann, wollte bzw. konnte sie dieses nicht mehr im gleichen Umfang leisten. Dafür hatte ihre Mutter kein Verständnis, und es kam häufiger zu Auseinandersetzungen.
»Als ich noch zur Schule ging, hatte meine Mutter ein Bügelstudio. Dort musste ich nach der Schule arbeiten und mich anschließend um den Haushalt kümmern. Ein privates Leben, so etwas wie Freizeit, gab es kaum. In der Zeit, bevor ich von zu Hause ausziehen konnte, habe ich mich nie wie ihr Kind gefühlt, sondern vielmehr, als wäre ich das Eigentum meiner Mutter, über das sie frei verfügen konnte.
Für mich war es ganz selbstverständlich, dass ich, sobald ich eigenes Geld verdienen könnte, dann auch regelmäßig etwas zu Hause für Unterkunft und Essen bezahlen würde. Allerdings konnte ich, solange ich kein eigenes Einkommen hatte, auch noch nichts abgeben. Nach dem Schulabschluss machte ich ein einjähriges gelenktes Praktikum in einer Tischlerei. Das bedeutet, dass ich während des Praktikums auch die Berufsschule besuchte. Da es ein Praktikum war, bekam ich noch keine Vergütung bis auf die Fahrkarte, mit der ich zu meinem Praktikumsplatz fahren konnte. Ich war oft sehr kaputt, da es eine körperlich sehr anstrengende Arbeit als Tischlerin ist. Es hat etwas gedauert, bis ich mich darauf eingestellt hatte. Aus diesem Grund machte ich dann nach der Arbeit zu Hause etwas weniger Hausarbeit als zu meiner Schulzeit. Neben Arbeit und Haushalt wollte ich einfach auch ein Stück weit mein eigenes Leben leben. Dafür hatte Mutter kein Verständnis, und wir stritten uns oft darüber.
Bei einem dieser Streits fragte ich sie, warum sie so viele Kinder in die Welt gesetzt, sich aber kaum jemals um uns gekümmert hat. Sie wollte immer selbstständig sein, und ich sagte ihr, dass es besser gewesen wäre, wenn sie stattdessen öfter für uns Kinder da gewesen wäre. Dafür hätte sie nur Hilfe vom Arbeitsamt in Anspruch nehmen müssen, anstatt sich und uns
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