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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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gut, um wahr zu sein?
    Die Ermittler stehen unter großem Druck der Öffentlichkeit. Sie untersuchen den Tatort sehr genau und finden heraus, aus welcher Richtung der Schuss kam. Er muss aus einem Fenster der juristischen Fakultät abgefeuert worden sein. Die in Frage kommenden Räume werden durchsucht. Zwei Tage nach Martas Tod findet die Polizei Schmauchspuren an einem Fenstersims. Das Fenster gehört zu einem Büro am Institut für Rechtsphilosophie. Dieses Büro wird als Studienraum für Assistenten genutzt. Dies erscheint zunächst wie ein schlechter Scherz. Warum sollte jemand sich in der juristischen Fakultät, und dann noch ausgerechnet im Bereich für Rechtsphilosophie, an ein Fenster stellen und scheinbar grundlos die junge Frau töten?
    Die Polizei findet heraus, dass sich mindestens fünfundzwanzig Mitarbeiter des Instituts regelmäßig in diesem Raum aufhalten, da sie die Bücher und Computer dort nutzen. Alle Angehörigen des Instituts werden von der Polizei befragt, doch niemand will auch nur ansatzweise etwas über den Mord wissen. Der Polizei kommt das kollektive Schweigen verdächtig vor. Schließlich müssten die Institutsmitarbeiter doch bestürzt darüber sein, dass einer von ihnen der Mörder sein könnte. Daher wäre zu erwarten, dass wenigstens einige von ihnen zumindest irgendwelche Vermutungen oder Beobachtungen zur Tat äußern. Will man den Aussagen aller Mitarbeiter Glauben schenken, so muss der Täter jedoch ein Geist gewesen sein.
    Der Polizeichef von Rom ist verärgert. Er geht davon aus, dass die Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden, nichts zu sagen, was ihrem Institut schaden könnte. Solche Methoden sind gerade der italienischen Polizei vor allem von der Mafia wohlbekannt. Fast einen Monat lang kommen die Ermittlungen kaum voran. Dann beweist ein von der Polizei abgehörtes und aufgezeichnetes Telefonat des Institutsleiters Bruno Romano, dass er tatsächlich seinen Mitarbeitern nahelegt, gegenüber der Polizei zu schweigen. Romano wird am 12. Juni 1997 unter Hausarrest gestellt und wegen Behinderung der Justiz angeklagt. Diese Anklage wird einige Zeit später jedoch wieder fallengelassen.
    Da die Polizei weiter nicht auf hilfreiche Zeugen aus dem Institut hoffen kann, überprüft sie, welche Telefonate am Tattag aus dem Aufenthaltsraum heraus geführt wurden. Tatsächlich wurde dort ein Telefonat geführt, genau zwei Minuten, nachdem der Krankenwagen für Marta von dem zufällig vorbeigekommenen Studenten gerufen wurde. Dieses Telefonat muss also weniger als fünf Minuten nach dem tödlichen Schuss geführt worden sein.
Der Damm des Schweigens bricht
    Schnell finden die Ermittler heraus, dass die Doktorandin Maria Lipari, Tochter eines Senators, das Telefonat geführt hat. Maria wird verhört. Sie streitet das Telefonat nicht ab, doch zunächst behauptet sie, ihr sei nichts Ungewöhnliches im Raum aufgefallen. Wie fast immer seien einige ihrer Kollegen anwesend gewesen – wer im Einzelnen, wisse sie jedoch nicht mehr. Der Polizei ist klar, dass alle im Institut Angst haben, die Wahrheit zu sagen. Deshalb setzen sie nun ihrerseits Maria unter Druck.
    Bald knickt Maria mit ihrer Aussage ein. Sie gibt zu, dass sie an diesem Vormittag den Raum betrat, um zu telefonieren. Dort habe sie vier Personen getroffen: die Institutssekretärin Gabriella Alletto, den Aushilfsbibliothekar Francesco Liparota und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter, den Doktoranden Giovanni Scattone und Dr. Salvatore Ferraro. Als Maria hereinkam, waren Scattone und Ferraro gerade dabei, den Raum eilig zu verlassen. Die Polizei holt daraufhin Gabriella Alletto erneut zur Befragung.
    Einen Monat zuvor, direkt nach der Tat, hatte sie behauptet, zur Tatzeit nicht in der Nähe des Büros gewesen zu sein. Als die Polizei sie mit der Aussage der Doktorandin konfrontiert, ändert Gabriella Alletto ihre Aussage. Sie sagt der Polizei, dass sie tatsächlich im Raum war und etwas Wichtiges beobachtet hat. Dies habe sie vor einem Monat abgestritten, weil sie große Angst um sich und ihre Kinder gehabt habe.
    Was Gabriella Alletto nun aussagt, ist die entscheidende Wendung im mysteriösen Mordfall an Marta Russo: »Ich sah Scattone halb versteckt hinter dem Vorhang, mit einem schwarzen Revolver in seiner Hand. Ferraro neben ihm raufte sich mit den Händen die Haare, es wirkte wie eine Verzweiflungsgeste.« Sie bestätigt, dass Aushilfsbibliothekar Francesco Liparota ebenfalls im Raum war. Dieser streitet zunächst alles ab und

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