Auf Dunklen Schwingen Drachen1
mich, Haferschleim zu essen, und wischte ihn auf, nachdem ich ihn Augenblicke später wieder erbrochen hatte. Die Makmaki-Brüder boten an, sich um ihren Jungen zu kümmern, ihn mitzunehmen, wenn sie die Fallen im Dschungel untersuchten und aufstellten. Zunächst weigerte Kiz-dan sich. Doch als sich die Tage meines Entzugs zu Wochen dehnten, willigte sie ein.
Die Brüder halfen Kiz-dan auch auf andere Weise.
Sie ignorierten meine wild herumschwingenden Fäuste, die schnappenden Zähne, banden meine Beine und Arme mit festen Schnüren, sodass ich nicht aus dem Gawabe stürmen und mich zu Tode stürzen konnte, außer mir vor Gier nach Gift. An gewissen Tagen behielt mich einer im Auge, während der andere die Fallen allein untersuchte, damit Kiz-dan und ihr Kind etwas Zeit zusammen verbringen konnten, fern von dem Wahnsinn in unserem Turm.
Die Brüder begannen auch, die Windeln des Kindes zu waschen, seine Nahrung zu stampfen, es in den Schlaf zu wiegen. Zwischen den dreien bildete sich ein Band, seit diesem beinahe tragischen Vorfall auf der Strickleiter, in dessen Mitte das Baby stand.
An den Tagen, an denen ich mit einem der Brüder allein war, schmiedete ich Pläne. Ich konnte nicht anders. Obwohl ich beschlossen hatte, mich von dem Gift zu befreien, sehnte sich ein anderer Teil von mir – ein sehr realer, verzweifelter Teil – noch danach.
»Bitte, binde mich los«, bettelte ich. »Ich bin auch brav. Ich gehe nirgendwo hin. Nur … nur …« Wut überkam mich, unvermittelt und uneindämmbar. »Bind mich los! Lass mich hier raus! Ich bringe euch alle um, wenn ich frei bin. Das mache ich, ihr werdet schon sehen!«
Ich versuchte auch andere Taktiken.
»Ich weiß, dass ihr Sex mögt«, flüsterte ich den Makmaki-Brüdern zu. »Ihr könnt mich haben, auf jede Art, die euch gefällt. Bindet mich los, dann befriedige ich euch. Ich mache alles, was ihr wollt.«
Die Brüder schnitzten Pfeile für die Jagd und sahen nicht einmal zu mir hin.
»Lass dir einen Schwanz wachsen, Mädchen, dann denken wir vielleicht darüber nach«, knurrte einer schließlich.
Eines Tages, vollkommen verwirrt, bot ich Kiz-dan dasselbe an.
»Kiz-dan«, zischte ich. Meine Handgelenke waren von den Stricken wundgescheuert und meine Finger kalt und steif. »Bind mich los. Ich berühre dich so, wie Lutche es getan hat, ich bereite dir Vergnügen …«
»Halt den Mund!«, schrie sie.
Sie warf den Affenkadaver weg, den sie gerade häutete, und schlug mir einmal, zweimal, dreimal ins Gesicht. Dann packte sie Gelbgesichts Machete, die ich immer bei mir getragen hatte, seit wir Tieron verließen, und fuchtelte damit vor meinem Gesicht herum.
Dunkle Ringe lagen um ihre Augen, weil sie zu wenig Schlaf bekam, und ihre Finger waren mit Affenblut besudelt. »Red noch einmal so mit mir«, knurrte sie, »dann schneide ich dir deine dreckige Zunge heraus, kapiert?«
Ich kapierte.
Ich versuchte nie wieder, sie oder die Makmaki-Brüder mit meinem abgemagerten, stinkenden Körper zu bestechen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das, was ich ursprünglich vorgehabt hatte: Ich wollte gesund werden. Denn ich war entschlossen – in diesen Momenten der Klarheit zwischen den Anfällen von Wahnsinn -, diesen Entzug zu überleben und gesund zu werden.
Während dieser hellen Momente weinte ich jämmerlich und dankte Kiz-dan für alles, was sie meinetwegen durchmachte.
»Was ich auch sage, binde mich nicht los, bevor es wirklich vorbei ist«, flüsterte ich heiser. »Ich will gesund werden, Kiz-dan, wirklich.«
Sie spitzte die Lippen, antwortete nicht und wappnete sich gegen meinen nächsten Rückfall in den Wahnsinn.
Die heiße, bedrückende Zeit des Feuers zog sich endlos hin. Ich wurde sechzehn.
Mein Elend wollte nicht enden, wollte mich nicht aus seinen Klauen lassen. Meine Knochen schmerzten, meine Haut welkte, und mein Verstand verkam zu einer dumpfen Höhle.
Blaue Federn übersäten den Boden um mich herum, das schwöre ich, und merkwürdige Spuren von Krallen furchten das Holz. Ich schrie im Schlaf, weil in dem Moment, in dem ich die Augen schloss, der Geist meiner Mutter erschien, mir Visionen bereitete, wie Waivia von grausamen Männern besudelt wurde. Erinnerungen verfolgten mich ebenfalls.
Blauäugige, blonde Erinnerungen.
Wie ich dieses vornehme, arrogante Gesicht hasste, diese detaillierten, genauen Erinnerungen.
Aber langsam, während sich die Zeit des Feuers dem Ende näherte, wurden meine lichten Momente länger und kamen
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