Auf ein Neues!: Roman (German Edition)
nicht allein lassen wollen. An seiner Stelle war dann sein Freund bei ihr aufgetaucht.
»Wie ich schon sagte, er hat das Hirn, ich die Kraft«, flachste Ryan.
»Ich war auch auf der Uni, erinnerst du dich noch? Ich weiß, was diese Bücher wiegen. Und«, sagte Griff, während er seinen Freund von Kopf bis Fuß musterte, »du konntest mal wieder etwas Training gebrauchen.«
Chelsie bemühte sich ohne Erfolg, ein Grinsen zu unterdrücken. »Ach, haltet die Klappe, alle beide.« Sie schüttelte den Kopf. »Männer.«
»Ich geh jetzt. Wenn dir wieder mal etwas zu viel wird, ruf mich einfach an.« Ryan lief die Treppe hinunter.
»Er ist ein guter Freund«, sagte Chelsie, während sie die Ärmel hochschob, um mit der anstrengenden Aufgabe des Auspackens zu beginnen.
»Wie ein Bruder.« Griff lehnte an der Wand und starrte in das leere Zimmer. Beim Wort Bruder zuckte Chelsie zusammen. Doch Griff schien so in Gedanken versunken zu sein, dass sie nicht sicher war, ob er überhaupt irgendetwas mitbekam. »Ryan wohnte Tür an Tür mit uns. Wir haben uns schon immer sehr nahegestanden, waren ständig zusammen, auch mit Jared. Wir waren dauernd zu dritt.«
Chelsie nickte. Sie und ihre Schwester waren ähnlich aufgewachsen. Bei zwei ziemlich uninteressierten Eltern hatten sie niemanden gehabt, auf den sie sich verlassen konnten, nur einander. Vielleicht war der Bruch in ihrer Beziehung deshalb so schwer zu verkraften. Auf ihre Art hatte Chelsie weiterhin auf ihre Schwester aufgepasst, doch in der Rückschau waren die gelegentlichen Telefonanrufe und Abendessen viel zu wenig gewesen und spendeten jetzt nur wenig Trost. In ihrem Bemühen, sich vor weiteren Verletzungen zu schützen, hatte sie sich nur noch mehr geschadet.
Wenn Griffs Verbindung mit seinem Bruder so eng gewesen war, mussten seine Verlustgefühle wesentlich stärker sein als ihre.
»An dem Tag, als meine Mutter wegging, hat Ryan meinem Vater versprochen, dass wir uns um Jared kümmern würden«, sagte er endlich.
Chelsie ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken. Wenn sie seinen Gedankengang unterbrach, redete er vielleicht nicht weiter. Obwohl sie sich gerade noch ermahnt hatte, nicht so neugierig zu sein, wollte sie alles von diesem Mann wissen. Als er nicht weitersprach, fragte sie leise: »Wie alt warst du damals?«
»Zwölf.«
Alt genug, um verletzt zu sein, und zu jung, um zu begreifen. Sie hatte tiefes Mitgefühl mit dem kleinen Jungen, der seine Mutter verloren hatte und bis zum heutigen Tage wohl nach dem Grund suchte. Sie bezweifelte sogar, dass ein Erwachsener diese Art des Verlassenwerdens verstehen konnte. Viele Menschen beteten darum, dass ihnen ein Kind geschenkt werden möge. Und diese Frau hatte das Geschenk einfach weggeworfen. »Was ist passiert?«
»Sie wollte mehr von dem einen und weniger von dem anderen.«
Chelsie kniff die Augen zusammen. »Was soll das heißen?«
»Sie wollte mehr Schmuck, mehr Geld und mehr Männer.« Griffs bitteres, raues Lachen verriet ihr, was er davon hielt. »Und weniger Verantwortung. Weniger Kinder, um genau zu sein.«
Nun hatte sie eine Ahnung, warum er so zynisch war. »Wieso erzählst du mir das gerade jetzt?« Noch während sie das fragte, überkam sie die Furcht, dass sie die Antwort bereits kannte.
Bereute er die Veränderung in ihrer Beziehung? Vermutlich war er zu dem Schluss gekommen, dass er der Frau, die ihm im Auftrag ihrer reichen Eltern das Sorgerecht streitig gemacht hatte, nicht trauen konnte. Vielleicht war er der Ansicht, dass sein Verstand benebelt gewesen war, nun aber wieder funktionierte.
Wenn dem so war, würde sie ihn anstandslos von ihrer Abmachung entbinden, egal, wie weh es tat. Sie hatte selbst große Zweifel an der Partnerschaft. In diesem Fall konnte es sich als Riesenfehler erweisen, sich das Wenige zu nehmen, was das Leben zu bieten hatte. Chelsie wappnete sich für Griffs Entschuldigungen, nahm sich vor, sich nichts anmerken zu lassen, und beschäftigte sich in Gedanken schon damit, ob sie ihr Büro vom Untermieter wieder zurückbekommen konnte.
»Heute ist Jareds Geburtstag.«
»Oh.« Auf dieses Geständnis war sie nicht gefasst gewesen. Ohne nachzudenken ging sie zu Griff hinüber und nahm seine Hand, in der Hoffnung, ihm auf diese Weise etwas von ihrem Mitgefühl und ihrer Stärke vermitteln zu können. »Das tut mir leid. Du hättest es mir sagen sollen. Wir hätten den Umzug auch auf einen anderen Tag legen können.«
Griff zuckte die Achseln. »So komme
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