Auf ein Neues!: Roman (German Edition)
distanziert und angewidert, machte die Veränderung umso bedauerlicher. Doch sie stellte sich der Herausforderung, ohne mit der Wimper zu zucken.
Sie konnte seine Entrüstung verstehen und beneidete ihn nicht um seine Sorgen. Sie hatte eine Schwester verloren. Doch er war über den Schock, seinen Bruder nicht mehr bei sich zu haben, kaum hinweg gewesen, als sie ihm auch schon das Sorgerecht streitig gemacht hatte.
Fast hätte sie ihm seine Nichte weggenommen, die einzige Blutsverwandte, die er noch hatte, und diesen Schmerz kannte Chelsie aus erster Hand. Sie wusste genau, wie es war, etwas Kostbares zu verlieren. »Ich wollte nur … «
»Sag es nicht. Es ist immer schwer, vor Gericht zu unterliegen«, sagte Griff mit unverhohlener Feindseligkeit.
Chelsie schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Ich schulde dir eine Erklärung.«
»Heb dir dein Tut mir leid für jemanden auf, dem es etwas bedeutet. Du hast deine Arbeit getan und verloren. Dafür solltest du einfach dankbar sein, wer weiß, was für ein Leben meine Nichte sonst gehabt hätte.«
»Sie ist auch meine Nichte.«
»Wie schön für sie.«
Chelsie zuckte zusammen, denn Griff hatte recht mit seinem Zynismus. Da ihre Eltern ein Kind verloren hatten, hatte sie sich von den Tränen ihrer Mutter und den Bitten ihres Vaters erweichen lassen. Sie hatte geglaubt, dass für die beiden ihre Enkeltochter an erster Stelle stehen würde und sie ihr aktives gesellschaftliches Leben und ihr Ansehen in der Gemeinde hintanstellen würden. Ein mutter- und vaterloses kleines Mädchen brauchte mehr Stabilität, als ein Elternteil oder ein Vormund bieten konnten. Chelsie hatte darauf verzichtet, sich selbst um das Sorgerecht zu bemühen, weil ihr Ein-Personen-Haushalt für ihre Nichte nicht die beste Wahl war – genauso wenig wie Griffins. Wenigstens konnten ihre Eltern es sich leisten, sich um die Kleine zu kümmern, und Chelsie hatte vorgehabt, ihren Einfluss zu nutzen, um die Defizite ihrer Eltern auszugleichen.
Falschaussage, Betrug und versuchte Bestechung. Diesmal waren die beiden zu weit gegangen. Chelsie wand sich innerlich vor Scham. Als sie dann wählen musste, wem sie ihre Unterstützung angedeihen ließ – dem unbekümmerten Junggesellen oder ihren materialistisch orientierten Eltern –, hatte sie hoffnungsvoll auf ihre Eltern gesetzt … und verloren.
Chelsie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, dem sie mehr schuldete als nur eine Erklärung. »Es ist dein gutes Recht, wütend zu sein, aber ich bin froh, dass du gewonnen hast.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. Es war, als hätten ihre Finger glühendes Eisen berührt und sie schlagartig hypersensibel gemacht. Eine Hitzewelle überlief sie und weckte längst vergessene Gefühle. Erstaunt, dass eine einfache Berührung ein so heißes, beinah verzehrendes Feuer entfachen konnte, schüttelte Chelsie den Kopf.
Da sie sich zwang, ihre Hand auf Griffs muskulösem Unterarm liegen zu lassen, breitete seine Wärme sich in ihr aus und raubte ihr das bisschen Selbstbeherrschung, das ihr noch geblieben war. »Ich bin sicher, dass du ein großartiger Vater sein wirst«, sagte sie mit einer Stimme, die ihr heiser vorkam.
»Onkel. Ihr Vater war jemand anders.«
Das hätte sie auch ohne Griffins knappe Zurechtweisung nie vergessen. Obwohl sie und Shannon in den letzten Jahren wenig miteinander zu tun gehabt hatten, fehlte ihre Schwester ihr dennoch. Griffin und sein Bruder hatten nur einander gehabt, es gab keine weiteren Familienangehörigen mehr. Wie sehr er litt, konnte sie nur erahnen.
Die letzten Wochen hatten ihr gezeigt, dass er und Alix sich so nahestanden wie Vater und Tochter. Offensichtlich hatte er mehr Zeit mit der Kleinen verbracht als sie. Früher hatte sie geglaubt, einen guten Grund für ihre Distanziertheit zu haben. So selbstsüchtig durfte sie nicht wieder sein.
Plötzlich riss Griff seinen Arm zurück, als ekle ihn ihre Berührung, und Chelsie ballte ihre ausgestreckte Hand zur Faust.
Offenbar war sie die Einzige, die eine besondere Verbindung gespürt hatte. Sie würde nicht zulassen, dass Griffin ihre Erregung bemerkte. »Hör mal, ich bin sicher, dass es nicht leicht ist, ein Kind großzuziehen.«
»Ich werde es schon schaffen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Chelsies Augen folgten der Bewegung. Er hatte sein Jackett ausgezogen. Die Krawatte mit dem Paisleymuster baumelte locker um seinen Hals, und die obersten Knöpfe seines
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