Auf ein prima Klimakterium
Begrüßung wieder in die Arme nehmen können. Ich hatte gehört, dass er hier im Haus wohnte und arbeitete. Seine Chefin und Freundin Kalia hatte bei unserem Telefonat versprochen, für mich und Rocco ein Wiedersehen zu organisieren. Auf meine Frage »Wann seid ihr umgezogen, warum habt ihr euch nicht bei mir gemeldet?«, hatte ich von Kalia jedoch nur eisernes Schweigen in die Telefonmuschel projiziert bekommen.
Mein Herz krampft sich zusammen, wenn ich daran denke, dass Roccos Abtauchen nur kurz nach seinem Besuch auf meinem Bauernhof stattgefunden haben muss. Für ein paar Tage lebte er mit mir und den Tieren, schien diese Zeit unendlich zu genießen. Mit den Ziegenkindern balgte er sich, als sei er ihresgleichen, er steckte seine Nase in duftende, selbst gebundene Kräutersträuße und Heubündel.
Der lukullische Erfolg des gemeinsamen Kochens war nicht abzustreiten, unsere Kocharien uferten, wie in früheren Jahren unserer Freundschaft, in abgefahrene kleine Theater-Sketche aus.
Roccos Parodie der schusseligen, sexbesessenen Hausfrau Loretta, die er übrigens als sein Alter ego betrachtete, die einen stoischen Klempner um den Finger zu wickeln versuchte, der aber seinerseits dem verschlossenen Abfluss meines Ausgusses an den Kragen musste, war zum Niederknien komisch. Mit einer improvisierten Orgasmus-Arie versucht Loretta, den abweisenden Handwerker zu umgarnen. »O süße Stimme, vielwillkommener Ton der Muttersprach in einem fremden Lande«, flötet sie, gewandet in ein keckes Schürzchen, samt Aufdruck ›Glad to be gay‹.
Er lachte, nahm es, Gott sei’s gedankt, gelassen. Für seine tägliche Stammtischrunde hatte er allemal wieder Futter für den Gerüchte-Trog auszuschütten.
»Mein Partner hat mich verlassen, Marianne, jetzt werde ich von unserer gemeinsamen besten Freundin an die Kette genommen, konstant überwacht und bevormundet. Ich bin mittellos und durch eine Lymphentzündung gesundheitlich angeschlagen, arbeite stundenweise in ihrem Büro und Restaurant, lebe auch im eigenen Apartment in ihrem Hause, wie du ja von deinen Besuchen weißt. Könnte ich mein Leben nach den fünf Trennungsjahren wieder mit dir teilen? Du lässt mich atmen, du hast mich wieder mit meiner Mutter zusammengeführt, mich ermutigt, die Brücke zu meinem Vater zu schlagen. Du erfühlst mich, sexuelle Hintergedanken wie bei anderen Frauen, die ich als homosexueller Mann nie einlösen könnte, waren bei dir nie zu spüren. Enttäuschten Mutterprojektionen, die ich am Anfang unserer Freundschaft negativ auf dich übertrug, konntest du den Wind aus den Segeln nehmen. Meine schrecklichen, ungerechten Zornesausbrüche durften sich austoben und wurden nicht bestraft, meine Trinkexzesse, aus dem Brunnen der großen Verdurstungsängste meiner Kindheit gespeist, stellten sich nach Auflichtung dieses Traumas, nach unseren Gesprächen, von ganz alleine ein. Bitte lass mich hier einziehen, ich werde für dich kochen, mit dir reisen, dir mit Tieren und Garten zur Hand gehen. Ich will hier in deinem Ruhepol mit dir leben, bitte sag ja, Marianne«, höre ich Roccos flehentliche Stimme aus der Vergangenheit und schon tauchen die erschrockenen Augen meiner Tochter auf dem Urgrund meiner Cappuccino-Tasse auf. »No go, Mami, ich liebe diesen Jungen wie einen Bruder und das weißt du. Aber erinnere dich bitte an das tägliche Drama, das er in dein Leben brachte, nachdem ihn unsere Familie damals kostenlos für Monate nach Deutschland eingeladen hatte. Er wird dich, seelisch instabil, wie er nun mal ist, wieder und wieder aufregen, verleumden und dich deiner Lebensenergie berauben, wie gehabt!«
Nach seiner Rückreise hatte ich jahrelang nie wieder von meinem angehenden Mitbewohner und Freund gehört.
Bei der Vorstellung, meinen verschollenen Freund, hier in Berlin, in Bälde wieder in die Arme schließen zu können, beginnt mein Herz bis zum Hals zu klopfen. »Ein Campari mit Sekt aufgefüllt, bitte«, schlägt meine Bestellung flott beim Bartender zu Buche.
Mit einem »Es dauert noch, Madame, unsere Chefin ist busy, ihre Zeit kostbar« werde ich nach zweistündiger Wartezeit, samt Getränk, in eine abgeschiedene Sitzecke komplimentiert. Ich beschließe, der Intensität des Augenblicks zu vertrauen, und sitze Kalias kostbare Zeit weiter geduldig aus. Schließlich hat sie dem heutigen Treffen mit Rocco zugestimmt, mein Hilfsangebot nicht gleich abgewehrt. Ich merke, dass die Hoffnung auf ein gemeinsames, tolerantes Miteinander, wie wir
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