Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
beigetragen hat, dass im Nachkriegsdeutschland gerade intellektuelle Frauen das traditionelle Mutterbild so abgelehnt haben?
Das glaube ich nicht, denn der Geburtenrückgang findet sich überall in Europa.
Was haben Sie selbst von dieser Propaganda mitbekommen?
Ich habe später mitgekriegt, dass zwei Mütter mit vielen Kindern es abgelehnt haben, das Mutterkreuz entgegenzunehmen. Der eine Fall war in Hamburg, der andere in Hannover.
Hatten sie deswegen irgendwelche Nachteile?
Nicht, dass ich wüsste.
War es für Sie und Loki eigentlich immer klar, dass Sie Kinder haben wollten?
Ja.
Haben Sie darüber nachgedacht und diskutiert?
Weder noch. Denn das war ganz selbstverständlich. Wir hätten gern viele Kinder gehabt. Es hat nicht sein sollen.
Ihr Biograf Hartmut Soell nannte Sie den »erstgeborenen Prinzen in der Großfamilie«. Im Elternhaus Ihrer Mutter, mit allen Großeltern, Onkels und Tanten, hätten Sie Wärme und Zuwendung, Frohsinn und Hilfe erfahren.
Von mir hat er das jedenfalls nicht zu hören gekriegt.
Stimmt es denn?
Möglicherweise.
Ist dieses Erlebnis von Zuwendung, von Großfamilie ein Kapital, das fürs ganze Leben reicht?
Es ist jedenfalls eine positive Erinnerung. »Kapital« hört sich für mich nach Geld an.
Glauben Sie, dass die Nähe von Mutter und Kind am Anfang entscheidend ist?
Die Nähe zwischen Mutter und Kind ist ein ganz wichtiger Faktor in der Bildung der kindlichen Seele. Ohne Not darf man nicht darauf verzichten.
Wichtiger als die Väter?
Ja, natürlich. Die Väter werden später wichtig, aber nicht im Kleinkindalter. Es kann Ausnahmen geben, und ich kenne solche Ausnahmen. Aber in aller Regel ist im Kleinkindalter die Mutter wichtiger.
Sind Sie manchmal durch kleine Kinder genervt, wenn Sie sie erleben?
Ich bin schwerhörig; mich stört das Geschrei nicht.
Erfreut Sie der Anblick kleiner Kinder?
Aber ja! Und dann beneide ich die Großeltern.
13. März 2008
[ Inhalt ]
»Ich hatte eine
freche Klappe«
Glückliche Jahre in der Reformschule
Lieber Herr Schmidt, was viele Eltern momentan beschäftigt, ist das sogenannte Turbo-Abitur. Wissen Sie, was das ist?
Damit ist das Abitur nach acht Jahren Gymnasium gemeint.
Warum regen sich die Leute so darüber auf?
Weiß ich nicht. Ich habe auch nach zwölf Jahren Abitur gemacht.
Hatten Sie dadurch Nachteile?
Mir hat es jedenfalls nicht geschadet.
Ihre Frau war drei Jahrzehnte lang Lehrerin. Diskutieren Sie das manchmal – ob zum Beispiel zwölf oder dreizehn Jahre besser sind für Schüler?
Habe ich jetzt nicht in Erinnerung, da müsste ich meine Frau fragen. Insgesamt sind Schulzeit und Studiendauer in Deutschland zu lang. Da wird Zeit vertan, da geht Kreativität verloren. Nach meiner Erfahrung ist es nicht so wichtig, ob man zwölf oder dreizehn Jahre zur Schule geht. Man kann große Leistungen vollbringen, auch wenn man überhaupt kein Abitur gemacht hat.
Das sagen Sie als Sozialdemokrat? Haben nicht gerade Schüler, die von der Familie her benachteiligt sind, bessere Möglichkeiten, sich zu entfalten, wenn sie länger ihre Fähigkeiten trainieren können?
Wenn das richtig wäre, müssten Sie logischerweise vierzehn Jahre Schulzeit fordern oder fünfzehn. Man kann aber nicht auf der einen Seite den Achtzehnjährigen für erwachsen und volljährig erklären – und ihn gleichzeitig auf der Schule festhalten. Das passt nicht zusammen.
Sie selbst haben die Lichtwarkschule in Hamburg besucht: Da gab es doch neben dem üblichen Lernstoff auch Werkunterricht, Gartenarbeit, Musik, Literatur und Theater. Haben Sie nicht davon profitiert?
Deshalb war diese Schule für mich ein Glücksfall. Aber sie hatte natürlich auch ihre Schwächen. Lernstoff haben wir relativ wenig mitbekommen, zum Beispiel Sprachen: ein bisschen Schulenglisch und ein ganz kleines bisschen Schullatein. Naturwissenschaften habe ich dort kaum gelernt, Geschichte auch wenig.
Das haben Sie sich alles später aneignen müssen?
Ja, natürlich; aber die Schule hatte mir ja beigebracht, selbstständig zu arbeiten.
Alle meine Freunde mit Kindern im schulpflichtigen Alter stöhnen darüber, dass sie bis in den Abend hinein mit ihren Kindern Hausaufgaben machen müssen. Wie war das bei Ihnen?
Ich war als Schüler relativ faul. Was mich nichtinteressiert hat, habe ich nur flüchtig gemacht. Meine Frau und ich waren ja in derselben Klasse; wir hatten eine ähnliche Handschrift, und es ist vorgekommen, dass Loki meine Hausaufgaben in mein Heft
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