Auf einem Maskenball verführt
sind?“
„Ja!“, bestätigte Alyssa hoffnungsvoll und schöpfte neuen Mut. Vielleicht erlaubte Kay, dass sie ihren Bruder sah, wenn sie ihr alles erklärte.
„Sie haben versucht, Kontakt zu Roland aufzunehmen, nicht wahr?“
„Stimmt. Hat er es Ihnen erzählt?“, fragte Alyssa und versuchte sich darauf vorzubereiten, wie Kay und Phillip auf die Tatsache reagierten, dass Roland ihr Bruder war.
Phillip war neben seine Frau getreten. „Liebling, gleich kommt der Arzt …“
Mit leicht zitternden Fingern berührte Kay ihn am Arm. „Phillip, das ist Alice McKay.“
Offensichtlich wusste er auch, wer sie war. Allerdings wirkte er alles andere als erfreut. „Was tun Sie hier?“, fragte er mit tiefer Stimme.
„Ich möchte meinen Bruder sehen.“
Am anderen Ende des Flures sah sie Joshua mit missmutiger Miene stehen. Es schien ihm nicht zu passen, dass sie mit seinen Eltern redete.
„Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Bitte gehen Sie“, sagte Phillip.
Alyssa richtete sich kerzengerade auf. „Mein Bruder ist hier im OP. Ich habe ein Recht darauf, hier zu sein.“
Tröstend nahm Kay Saxon Alyssas Hand, die von der Anspannung ganz verkrampft und kalt war. „Ich verstehe ja, wie Sie sich fühlen, aber Roland möchte Sie nicht hier haben.“
Mit großen Augen sah Alyssa sie an und konnte die Tränen kaum zurückhalten. „Wie meinen Sie das?“
„Auf Ihre Briefe und E-Mails hat er nicht geantwortet. Können Sie sich nicht denken, warum?“
„Hat er sie nicht bekommen?“
„Doch“, sagte Kay in mitleidigem Tonfall. „Er hat sich entschieden, keinen Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.“
„Aber ich bin seine Schwester“, sagte Alyssa verzweifelt. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, ihren Bruder kennenzulernen, um wenigstens eine kleine Familie zu haben, etwas, das für die meisten Menschen selbstverständlich war. Plötzlich erschien ihr ihr weiteres Leben freudlos und düster. „Das kann doch nicht sein!“
Mit zusammengezogenen Brauen sah Phillip Saxon sie an.
Kay versuchte, sie zu trösten: „Meine Liebe, er ist ein Saxon – der Älteste. Nicht einmal seine Geschwister wissen, dass er adoptiert ist. Roland möchte nicht, dass sie es erfahren.“
„Nein!“ Alyssas Magen krampfte sich zusammen. Sie wollte es einfach nicht glauben. Einen Augenblick hasste sie Kay, doch angesichts der tiefen Sorgenfalten im Gesicht der älteren Frau verschwand das Gefühl sogleich wieder.
„Glauben Sie mir, es ist für uns alle nicht leicht, Alice“, versicherte sie. „Bitte, wahren Sie Rolands Geheimnis – dass er kein Saxon ist.“
Traurig überlegte Alyssa. Ihr Bruder wollte keinen Kontakt zu ihr, damit nicht herauskam, dass er adoptiert war. Wie sollte sie unter diesen Umständen hierbleiben? Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich möchte ihn so gerne sehen, seine Hand halten, ihn trösten …“
„Jetzt dürfen wir nur an ihn denken“, sagte Kay sanft. „Und wenn er es nicht möchte …“
Tapfer nickte Alyssa. „Ja. Natürlich.“
„Danke für Ihr Verständnis“, sagte Kay erleichtert. Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Haben Sie ein Handy, Alice? Würden Sie mir Ihre Nummer geben? Ich rufe Sie an, wenn es etwas Neues gibt.“
Dankbar reichte Alyssa ihr eine Visitenkarte.
Kay verwahrte sie sorgfältig und flüsterte: „Vorsicht, da kommt Joshua. Reden wir über etwas anderes.“
Joshua ging auf seine Eltern zu, die sich mit Alyssa oder Alice – oder wie auch immer sie heißen mochte – unterhielten.
Überdeutlich wurde ihm bewusst, wie perfekt das dunkelrote Ballkleid zu ihren langen rötlich schimmernden Haaren passte. Dazu bildeten ihr heller Teint und die elfenbeinfarbenen Schultern einen überaus ansprechenden Kontrast.
Joshua verstand sich selbst nicht mehr. Gerade hatte er erfahren, dass die Verletzungen seines Bruders schlimmer waren als ursprünglich angenommen. Und trotz dieser beängstigenden Nachricht hatte er nur Augen für Alyssa Blake, eine Lügnerin, die nur Probleme brachte – das durfte doch nicht wahr sein!
Während er noch darüber nachdachte, wie er seinen Eltern die schlechten Nachrichten möglichst schonend beibringen sollte, war Alyssa schon auf dem Weg zur Tür. Schnell folgte er ihr und sagte: „Warte, ich muss dich etwas fragen.“
Doch offensichtlich wollte sie nicht mit ihm sprechen und ging weiter, ohne aufzublicken. In diesem Augenblick erinnerte Joshua ihn eindringlich an seine eigentliche Aufgabe, indem er sagte: „Hast
Weitere Kostenlose Bücher