Auf einem Maskenball verführt
sollte sie darauf erwidern? Sie konnte seinen Ärger sogar verstehen.
Nur gut, dass sie bald nach Hause fuhr. Denn sonst würde sie womöglich alles noch schlimmer machen, als es sowieso schon war: indem sie sich in Joshua verliebte.
Schweigend ritten sie zurück. Als sie wieder offenes Gelände erreicht hatten, blickte Alyssa sich wehmütig um. Nie wieder würde sie an den dichten Wald, den idyllischen Wasserfall, die grünen Farne denken, ohne sich dabei an den Mann zu erinnern, der jetzt selbstbewusst neben ihr auf seinem Pferd saß.
Eigentlich war sie nur wegen der Erinnerung an ihren toten Bruder mitgekommen, doch nun dachte sie die ganze Zeit an Joshua …
Als sie sich den Stallungen näherten, merkten sie sofort, dass dort irgendetwas nicht stimmte.
„Was, zum Teufel …“, rief Joshua, als er den schwarzen Hengst aufgeregt am Weidezaun auf und ab galoppieren sah. In der angrenzenden Koppel stand zusammengedrängt eine Herde Stuten und Fohlen, die unruhig wieherte.
„Was haben sie nur?“, fragte Joshua und trieb sein Pferd an.
Alyssa folgte ihm langsamer auf Breeze.
Kraftvoll wiehernd kam der Hengst vor dem Tor zum Stehen. Wild schwang er den Schweif durch die Luft. In diesem Moment fielen Alyssa zwei Jugendliche auf, die sich hinter dem mächtigen Stamm einer alten Eiche versteckten. Joshua hatte die beiden ebenfalls bemerkt und rief ihnen gerade etwas zu.
Die Jungen rannten über die Weide davon und hinter die Ställe, wo ein Motor laut aufheulte. Sekunden später kamen sie auf einem Motorrad hinter den Ställen hervorgeschossen. Um zu entkommen, mussten sie direkt an dem Hengst vorbei!
„Achtung!“, rief Joshua noch, doch Alyssa blieb keine Zeit mehr zum Reagieren.
Wie der Blitz setzte der schwarze Hengst über den Zaun und galoppierte geradewegs auf sie zu. Im letzten Moment schwenkte er herum, doch die treue Breeze scheute und brach zur Seite aus. Einen kurzen Moment glaubte Alyssa, sich auf dem Pferd halten zu können, dann wurde sie schon aus dem Sattel katapultiert.
„Lass die Zügel los!“, hörte sie Joshua rufen.
Kaum hatte sie losgelassen, sprengte die Stute auch schon davon. Als Alyssa auf dem gepflasterten Weg aufprallte, wich ihr schlagartig die Luft aus den Lungen. Ein stechender Schmerz durchzuckte sie, sodass sie aufschluchzte.
Joshua war gleich bei ihr, kniete neben ihr nieder und sah sie besorgt an. Nach Atem ringend, versuchte sie, sich aufzurichten und zu sprechen.
„Sch … Bleib einfach ganz ruhig liegen.“ Fürsorglich bettete er ihren Kopf auf ein Grasbüschel, und Alyssa ließ sich völlig erschöpft zurücksinken.
„Hast du dich verletzt?“, fragte Joshua eindringlich.
„Ich weiß nicht. Mein Rücken tut so weh“, stieß sie hervor und sah noch, wie er blass wurde.
„Beweg dich nicht. Ich rufe den Rettungsdienst.“
Auf dem Weg näherten sich Schritte. War es Caitlyn? Alyssa hörte Joshua mit rauer Stimme etwas anordnen, dann entfernten sich die Schritte wieder. Plötzlich durchfuhr ein neuer Schmerz ihren Körper. Alyssa vermochte kaum noch klar zu denken. „Meine Hand!“
„Wahrscheinlich bist du unter einen Huf gekommen.“
„Aua.“ Viel fehlte nicht, und ihr wäre schwarz vor Augen geworden.
„Halte durch, Kleines. Die Sanitäter werden gleich hier sein“, flüsterte Joshua ihr sanft zu.
An die Fahrt ins Krankenhaus konnte Alyssa sich später kaum erinnern. Doch eines wusste sie sicher: Joshua war die ganze Zeit an ihrer Seite geblieben und hatte sie nicht aus den Augen gelassen.
Nach der Untersuchung in der Notaufnahme trat Joshua zu Alyssa ans Bett.
„Wie fühlst du dich?“, fragte er besorgt.
Entsetzlich. Alyssa hasste dieses Krankenhaus mit seinen gedämpften Geräuschen und dem sterilen Geruch. Unweigerlich musste sie an den tödlichen Unfall ihres Bruders denken. „Nicht besonders. Mir tut alles weh.“
„Deine Hand wird so bald wie möglich operiert. Möchtest du, dass ich jemanden für dich anrufe?“
Wie gut seine Nähe und Fürsorge taten. „Anrufen?“, fragte sie verständnislos und schloss die Augen, um sein attraktives und scheinbar teilnahmsvolles Gesicht auszublenden. Natürlich lag ihm ihr Wohl nicht wirklich am Herzen. Schließlich hielt er sie für eine Frau, die Männer verführte, um ihre Karriere voranzutreiben.
„Ja. Deine Familie und deine Freunde. Damit sie wissen, was passiert ist.“
Traurig, dass die einzige Person, die ihr einfiel, ihr Chef war. Was sagte das über ihr Leben aus? Es würde
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